Crime & The City Solution, Joshua Murphy – Berlin, Eschschloraque (ca. 60 Zuschauer), Photo by Anna Wider
Crime & The City Solution sind sowas wie die Schatten von Nick Cave & The Bad Seeds. Ich will da jetzt gar nicht zu tief bohren und klar, haben die Bad Seeds, vorallem zur Zeit, als Bargeld noch mit dabei war, große Musikhistorie und mit ihrer Theatralik tätsächlich auch großes Kino geschaffen, aber: Crime & The City Solution, die die gleiche Odyssee von Australien über London nach Berlin hinter sich brachten und die ebenfalls einen glorreichen Auftritt in „Der Himmel über Berlin“ hatten, waren keineswegs schlechter und hatten mindestens den besseren Sänger, denn Nick Caves gutturales Gewürge ging mir immer schon auf die Nerven, auch wenn ich lange Zeit der Meinung war, dass er ein cooler Typ ist.
Dass Crime immer klein blieben, liegt daran, dass sie nicht so dick auftrugen und keine durchschlagenden Hits hatten. Ihre Songs waren meist etwas sperriger, die Melodien gezielt suchend und mehr braucht man schon gar nicht anzuführen, um zu sehen, dass das nichts mit dem Millionenpublikum werden kann.
Tatsächlich sind sie mehr als die Schatten Caves, denn etwas grob über den Daumen gepeilt, kann man fast sagen, daß die Birthday Party nach ihrem Ende in zwei Folgebands zerfiel: Die Bad Seeds und Crime & The City Solution. Dabei wurden sie hüben und drüben von weiteren einschlägigen Gesellen aus der Berliner Szene ergänzt, allen voran Blixa und Alex von den Neubauten. Mick Harvey, schon damals der diplomatische Gentlemen, spielte in beiden Bands.
Nach einer Handvoll herausragender Scheiben von Mitte der 80er bis Anfang der 90er wurde es still um die Band. 2013 tauchten sie aus dem Nichts mit einer neuen Platte auf, die neben den wichtigsten alten Bekannten auch ein paar neue Allstars mitwirken ließ. Ich habe mich nie so richtig mit der Platte angefreundet, was aber nichts an meiner Liebe zum wunderbaren Sänger Simon Bonney, und wen auch immer er in seine Gefolgschaft einzureihen gedachte, trüben machte.
Nun trauen sie sich nochmals, wieder ein ganzes Jahrzehnt ist verstrichen. Es gibt eine neue Platte und es gab im Herbst eine Tour, wo ich sie leider verpasste, da ich gerade wieder mal am Umziehen und mit anderen Dingen beschäftigt war.
Manchmal aber hat man Glück und sie kommen noch mal zurück. In unserem Fall zwar nicht die ganze Gang, aber mit Simon Bonney alleine ist mir ja schon genüge getan. Der Rest gerne alles was ihm lieb ist. Und da, wer hätte nur damit gerechnet, nimmt das Leiden seinen Anfang.
Bevor wir nun die Tür in den Abgrund öffnen, drücken wir aber noch mal kurz auf „Pause“: Es gibt also eine neue Platte „The Killer“ und wieauchimmer es dazu kam, gab Bonney zwei Konzerte hintereinander im wunderbaren Eschschlaroque, „acoustic“ wenn man das so schön modern sagen darf, mit seiner Frau und Geigerin bei Crime, sowie dem kürzlich hinzugestoßenen und parttime Mitwirkenden Gitarristen Joshua Murphy, auch ein in Berlin lebender Australier.
Am ersten Abend spielte Bronwyn, die geigende Ehefrau ein Solo-Set vorneweg, an unserem Joshua. Der entpuppte sich mit seinem seelenverlorenen Akkustikgitarrengeschrabbel fast schon als Epigone des legendären Jandek, den ich gerne zitiere, wenn ich das Gefühl habe, dass das Fegefeuer der Pathologie in jemandem lodert.
Ein gutaussehender Geselle, groß und gerade gewachsen, präsentierte sich Joshua auf der Bühne allerdings dahingekauert, mit nach vorne gebeugter Haltung, als hätte ihm gerade einer eine unsichtbare Eisenkugel, um den Hals gehängt. Ein paar hilflos wirkende Akkorde, ein stummes Gehauche mit nur zu erahnender Melodie. Mir wurde auf der Stelle kotzübel und ich wusste nicht, ob ich das gut oder schlecht finden soll. Im zweiten Song kam eine Geige vom Band dazu. Das war wirklich extrem gut und stimmend gemacht. Dito im dritten Song und damit hatte er bereits den Höhepunkt erreicht, denn im letzten Song ging es wieder bergab. Er zeigt zwar doch noch, dass er stimmlich sogar echt was drauf hat, aber dieser Song über die die Stadt ohne Angst konnte mich weder textlich noch atmosphärisch begeistern. Ein merkwürdiger, beklemmender, Unwohl auslösender Auftritt. Wenn es Absicht war, dass sein Auftritt Unbehagen auf das Publikum übertragen soll, dann hat er das bei uns tatsächlich geschafft. Ich hatte aber eher das Gefühl, dass uns sein eigenes Unbehagen ansteckte, als hätte die Pest ihre unsichtbaren Boten in unsere Gebeine gejagt.
Wenig später betrat der große Gute die Bühne. Sogar mit gleich gestreiftem T-Shirt wie früher. Eine schöne turbanähnliche Mütze hatte er auf. Er ist natürlich keine 20 mehr, aber er ist es, ganz und gar Simon Bonney. Würde, Haltung und Gesang und Magie, ein wiederauflebender Traum aus längst vergessenen Tagen. Dasselbe konnte man leider ganz und gar nicht von der guten Gattin behaupten, die sowas von gute Laune hatte, dass es schon weh tat. Nichts gegen gute Laune, aber die Musik und die Magie von Crime & The City Solution bedarf einer gewissen Ernsthaftigkeit und die hätte ich mir von ihr wirklich gewünscht. Was sie davor und danach macht, ist dann gerne ihre eigene Sache.
Ganz ehrlich. Simon ist wirklich sehr nachsichtig mit ihr. Wäre sie in meiner Band, hätte ich sie nach diesem Auftritt rausgeworfen. Sie quatschte dauernd laut kieksend zwischen den Songs rein und auch ihr Gesang war nicht gut. Schon vor dem Auftritt rauschte sie unangnehm auffällig durch die Räume, immer ein Glas Wein in der Hand. Vielleicht konnte sie deswegen auch die Geige meist nicht ganz im Takt halten. Aber der Takt der war ja eh schwierig zu erahnen, denn auch Joshua, der Kauernde dudelte mit, und der war damit auch nicht so ganz stabil.
Dazu war die klangliche Abstimmung so, dass die Geige und das Geschrabbel viel lauter als Simons Stimme waren und Bronwyns Stimme war auch lauter als Simons und Joshua warf manchmal neben dem schrägen Geschrabbel auch noch ein paar Stimmfetzen mitten in den Maelstrom rein.
Simon verschwand immer mehr nach hinten. Einmal, als die anderen beiden eine längere Passage am Ende eines Liedes zu tun hatten, setzte er sich hinten auf den Boden und rauchte. Ich weiß nicht, was er von alledem hielt. Er war aber immerhin der einzige, der seine Würde behielt und ich werde ihn immer verehren.
Nungut, der Rock’n’Roll hat die Fehlerhaftigkeit als wichtigen Bestandteil bereits eingebaut. Das sollte man nie vergessen und dafür war dieser Abend ein schönes Beispiel, auch wenn mir wirklich schlecht geworden war. Richtig, körperlich schlecht. Oder denkt ihr etwa, das lag daran, dass eins von den 30 Bierchen …

