Shellac, Irnini Mons – Leipzig, Conne Island – ca. 250 Zuschauer
Von Irnini Mons aus Lyon haben wir leider nur das letzte Lied gehört. Die Entschuldigung lautet: Wir waren unter den ersten fünf Gästen des Abends, um uns schon mal die Karten zu sichern, doch dann kam der Regenschauer und wir kamen zu spät weg, um den nötigen Bodensatz in den Magen zu bekommen, denn es sollten viele Biere draufgekippt werden … und dann waren wir einfach zu spät zurück. Ich und meine Berliner Genossen, die es vorzogen, einen Trip nach Leipzig zu unternehmen, um Shellac nicht im Festsaal Kreuzberg ansehen zu müssen … was ja an sich schon sehr charmant ist. Irnini Mons hat es nicht geholfen. Die Shoegazer-Noise-Gang, die aus der Asche der Decibelles hervorging, hörte sich zwar ganz ok an, aber für mich war der Eindruck zu kurz, um wirklich ein sehr gutes Urteil abgeben zu können. Meine Begleiter waren da schon mehr über sich selbst verärgert.
Albini auf dieser Plattform zu erklären, wäre wie einem Hippie zu erklären, wer Jimi Hendrix ist. Ich kann also gleich zum persönlichen Teil kommen. Als ich Big Black etwa 86/87 das erstmal hörte, war das wie ein Schock mit Hallelulja zusammen. Der Sound pure Gewalt (aha, jetzt wissen wir auch wo die Idee zu Patrick Wagners aktuellem Projekt herkommt, grins), die Gitarren und der Drumcomputer sägten einen in der Mitte durch. Für mich ganz besonders interessant noch die Art, den Gesang einzusetzen.
Das eher unterschätzte Juwel des Mannes, der heute quasi der Trademark-Produzent der alternativen Rockmusik ist, zwingt mich geradezu, einen seiner Aussprüche auch auf ihn anzuwenden. Über eben genannten Hendrix sagte er mal, dass er ihn eher als Sänger denn als Gitarrist schätzt. Ob das provokativ gemeint war, bleibt ein Rätsel unserer Zeit. Definitiv nicht provokativ gemeint ist aber, wenn ich sage, dass ich Albinis Qualitäten als Sänger mindestens genauso schätze wie jene als Gitarrist. Genau gesagt, gibt es vier Sänger, die ich persönlich als wegweisend in der Geschichte des Rock’n’Roll sehe: Lou Reed, Peter Green, Mark E. Smith, Steve Albini. Diese Liste ist spontan und diskutierbar.
Big Black hab ich live nie gesehen, erst Rapeman ca. 1988. Um Shellac zu sehen, war ich ca. 1993 schon mal in München, wo sie ihre Show nach knapp 30 Minuten abbrachen, weil es ihnen zu warm war. Damals war ich aber noch richtiger Fan und fand das spontane vorzeitige Ende eines Konzerts, für das ich dreieinhalb Stunden angereist war, genauso beachtlich wie die Musik. Das ist jetzt sagenhafte 30 Jahre her und pflichtbewusst hab ich mir, sofern ich es überhaupt mitbekommen habe, immer die neuen Shellac Platten gekauft, ohne sie aber mehr als einmal anzuhören. Diese Noiserock-Schiene ist mir einfach im Laufe der Zeit so richtig langweilig geworden. Wenn die Herrschaften sich schon mal in eine Stadt wie Leipzig verirren, gehört es aber natürlich zum Pflichtprogramm, dem Rechnung zu tragen. Meine Erwartungen waren aber keine großen.
Daher war ich selbst sehr überrascht, wie toll ich die Band heute fand. Es ist nachwievor gigantisch dem Drummer Todd Trainer zuzusehen. Im Gegensatz zu Albini hat er sich seine Statur erhalten, aber ehrlich gesagt, hatte ich auch den Meister schlimmer erwartet.
Die Arrangements der Songs zu verfolgen, ist total interessant. Zumindest live stellt sich da keinerlei Langeweile bei mir ein. Albini selbst fand ich sehr gut gelaunt, seine Ansagen waren witzig und wohlwollend. Die Fragerunde ans Publikum kannte ich nicht, ist aber wohl obligatorisch. Ich hab eh nix verstanden, was die Leute da hochbrüllten.
Am Ende fingen sie schon während des Spielens an, ihre Sachen abzubauen. Auch ne schöne Idee. Dann war das mit der Zugabe nämlich auch schon geklärt.
Ich fands nen schönen Abend. Nen Tick weniger Leute hätte es mir erlaubt noch zwei Bierchen mehr zu trinken. Ich hatte aber keinen Bock, mich da immer durchzuquetschen und genervte Blicke abzuholen. Für sowas bin ich zu alt. Ich möchte, dass alle sich wohlfühlen und selber niemandem auf den Keks gehen, hehe.
Tja, das war Shellac 2022. War überraschend ok, dennoch denke ich, muss nicht noch mal sein.