S.G.A.T.V, Doc Flippers, Ex White – Leipzig, G16 (ca. 150 Zuschauer)
Selbstredend ein Abend nach meinem Geschmack, was ihr schon dem Motto des Abends entnehmen könnt: Weirdo Garage Show! Das geht einem ja schon mal wie Öl runter.
Doc Flippers aus Leipzig konnten das Motto sofort zu 150% erfüllen. Gerade die Gitarren-Licks und die unlinearen Rhythmen bekommt man so nicht oft zu hören. Daher 100% Lob dieser Gang of Kaputniks, auch wenn mir persönlich, und darüber gabs am Ende heftige Auseinandersetzungen mit meiner geliebten Begleiterin, die eingeworfene Komplexität der Songs, die immer wieder Breaks und Wechsel and unerwarteten Stellen einstreut, etwas anstrengend wurde. Ich bin einer gewissen Komplexität nicht absolut abgeneigt, aber den Rhythmus immer wieder derart zu unterbrechen, widerstrebt mir. Wenn man aus dem Tritt kommt, wenn man stolpert oder betrunken ist, dann versucht man sich zu fangen und dadurch entsteht eine eigene Rhythmik, eine Unterbrechung, die aber trotzdem versucht zu fliessen. Fällt man hin, rappelt man sich im eigenen Rhythmus wieder auf. Da ist immer noch ein Beat. Die Doc Flippers unterbrechen unnatürlich. Das ist ok. Es gefällt mir aber nicht.
Da der Abend für ein Drei-Band-Billing mitten in der Woche auch schon eher etwas spät los ging (ca. 22h), beschränkten Doc Flippers ihr Set auf ca. 30 Minuten, was ich extrem cool fand und sie den gerne angekreideten Anfängerfehler einer Vorband (nämlich zu lange zu spielen) vermeiden liess und daher ganz logisch auch auf eine Stufe mit dem Rest des Billings stellte.
Das Publikum wusste das übrigens von der ersten Sekunde an extremst zu schätzen, was sie hier vorgesetzt bekamen und feierte ALLE Bands von der ersten bis zur letzten Sekunde.
Das setzte sich direkt mit S.G.A.T.V. aus der Schweiz fort, die keine Warmlaufzeit brauchten, um ihren abwechslungsreichen und extrem gut durchkomponierten Disco-Punk (sie selber nennen es Ufo-Punk) auf den Steinboden der Gieszer zu nageln. S.G.A.T.V. sind sehr unterhaltsam und setzen die vorhandenen Mittel mit 6 Leuten wirklich zu einem beachtlich vielseitigen Gesamtwerk um, das Kopf und Beine gleichermaßen anspricht und auch extrem druckvoll klingt.
Sie haben durchaus etwas mehr Nena-Melodien an Bord als viele ihrer Gleichgesinnten, aber das zwinkernde Auge ist immer da und es ist klar, dass der Trash-Punk-Faktor hoch bleibt. Das versteht sich schon von selbst durch den permanent verzerrten Bellgesang, sogar wenn die Gitarren gerne mal explizit waveig an den Melodien und nicht am Riffing arbeiten. Ich kann nur mal wieder hervorheben, wie viel Qualität unsere Nachbarn aus der Schweiz auf die Beine bringen. Die brauchen nicht viel Platz und stellen dem idyllischen Kleinod, dem sie trotzdem zuallermeist doch wohlneigend verbunden sind, ein Gegenwicht an Subkultur entgegen, von dem wir Tütschen nur träumen können. Wir haben einfach zu viel Bequemlichkeit und Ami-Kaugummi gefressen.
Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel, auch wenn wir außer ein paar Ausnahmen wenig draufhaben: Ex White aus Halle sind nicht nur eine Band um die Ecke sondern kamen direkt vom Funtastic Dracula Festival aus Spanien, und einem kurzen Gig-Stop in Genf, in Leipzig an und rutschten so als Extra aufs Lineup, was das Publikum dann allerdings so sehr zu schätzen wusste, dass sie Ex White keinen koordinierten Soundcheck ermöglichten, da sich schon mindestens 30 erwartungsfrohe Leute direkt vor der Band aufbauten, als die ersten gemeinsamen Töne erklangen. Naja so richtig stimmte die Mischung noch nicht, dennoch fingen die Leute schon bei den kurzen Checks an wie wild herumzutoben. Gut, dass ihnen der Ruf vorauseilte, der Sound war dann aber wirklich quasi pures weißes Rauschen, super brutal, eigentlich gar nichts mehr rauszuhören außer dem Bass. Nichtmal beim Drum konnte man unterscheiden, was jetzt Snare oder Tom ist.
Und sehen konnte man sowieso nix, den ganzen Abend nicht. Es mag ja ne schöne Idee sein, sich als Band auf eine Ebene mit dem Publikum zu stellen, um greifbarer und persönlicher zu sein und nicht von oben herab schaut, aber wenn nur die erste Reihe die Akteure sehen kann, finde ich, geht auch ne Menge vom Live-Spaß verloren.
Aber toll, dass hier jeder Prophet geschätzt wird, egal wo er herkommt. Die Lorbeeren wurden also geerntet, auch wenn die Kunst nicht für jeden ganz möglich war. Ein sehr geiler Abend. Sehr viele lachende Gesichter. Krieg, Stromkrise und Corona müssen auch mal nen Abend lang Pause in unseren Köpfen machen.