Sloan – Steady (Murderrecords, 21.10.2022)
Kennt eigentlich irgendjemand von euch Sloan? Wo kommen die denn plötzlich her? Oder besser gefragt: Wie nur konnte man die 30 Jahre lang übersehen? x-zehn Alben und eine quasi unterbrechungsfreie Laufbahn ohne Besetzungswechsel. Klingt nach einem stabilen Haufen, der mit den Beinen auf dem Boden steht und Spaß an der Sache hat. “Steady” im wahrsten Sinne des Wortes.
Doch nicht nur das, bewegen sie sich deutlich hörbar in der Profiliga und unterscheiden sich schon von daher eindeutig von den Abermillionen Bands, denen irgendwas fehlt, um ein gewisses Niveau zu erreichen. Meist ist es der Gesang. Oft das Songwriting oder eine ganz besondere Note, den ganz eigenen Geruch. Was auch immer anderen fehlt, Sloan hat es alles an Bord und setzt es seit hundert Jahren um, ohne sich einen einzigen Knick zu erlauben. Es gibt keine BestOf, die BestOf ist jede einzelne ihrer Scheiben, denn ihre Quelle an überzeugenden Songs ist unerschöpflich.
Sie sind aus Toronto und begannen 1991. Damals war Grunge das ganz große Ding und Punk war gerade dabei, den Mainstream zu überschwemmen und die Welt des kleinen Indie-Rocks, der sich doch so gut in seiner Nische fühlte, aus den Angeln zu heben. Natürlich eine extrem schwierige Zeit für den Start einer kleinen Band, die sich zu einer Zeit versucht, einen Ruf zu erspielen, als alle versucht haben, genau ihre Musik zu machen, auch wenn sie eigentlich aus ganz anderen Lagern kamen, der Markt unüberblickbar wurde und die ur-echten Bands von 98% Nachahmern verdrängt wurden.
Die kleinen Indie-Rocker namens Sloan aber waren schon damals eine Stufe besser und durften daher schnell bei Geffen einsteigen, wovon sie sich aber schon während der ersten Alben wieder lösten, als sie Geffen zu widerspenstig wurden und das, meine Damen und Herren, ist natürlich das Qualitätssiegel schlechthin, denn kein Möchtegern entzieht sich der Gunst der Macht. Sloan zogen also vor, auf dem eigenen Label Murderrecords weiterzumachen (und wen wundert es, wenn ich sage, dass sie noch heute ihre Platten darauf veröffentlichen) und irgendwann kam auch der Durchbruch in den USA und er kam nur, weil sie so gut sind und nicht, weil sie so gut vermarktet wurden. Und so werden sie auch immer die kleine bescheidene Indie-Rock Band bleiben, deren Qualität deutlich über dem Erfolg steht, und ich sicher nicht der einzige bleibe, der sie spät oder niemals entdecken wird.
Was mich persönlich betrifft, ist das aber natürlich nicht der einige Grund, schließlich ist ihr fast schon radiogefälliger Pop-Rock eine Nummer zu schön für mich. Sie sind definitiv eine Hit-Band und ich stelle mir vor, dass ihre größte Herausforderung bei Fertigstellung eines neuen Albums das Identifizieren der Single-Auskopplungen ist.
Wenn du also mal Bock auf was Positives hast, aber den unechten, platten, verschwenderisch-effekthascherischen Scheißdreck ablehnst, der uns auf diesem Sektor fast ausschließlich angeboten wird, dann schlägt die Stunde für Sloan, denn all das sind sie ganz sicher nicht. Nicht eine Sekunde wird es schmalzig, auch wenn sie manchmal nahe darüber balancieren. Ihre Texte sind nachdenklich, facettenreich und motivierend. Da alle 4 Bandmitglieder zum Songwriting beisteuern und auch ihre eigenen Songs singen, bekommt das Gesamtwerk natürlich einen Einfallsreichtum und eine Unterschiedlichkeit, die seinesgleichen sucht, aber dennoch wie aus einem Guss ist. Sie beherrschen ihr Handwerk zu 120% und das ist das hard-edged Tele-Riffing und 0% Les-Paul-Axe-Wielding. Insgesamt also einen Tick zu gut und zu wenig abgründig für einen negativ Creep wie mich. Dennoch bleibt es Indie, für den Mainstream sind sie einfach zu kompromisslos. Totale Profis, aber mit einem leichten Schritt und einer bescheidenen Sympathie.
Und das sind sie über ihre hundertjährige Karriere geblieben. Sie sind älter geworden, aber anders als die fett gewordenen Ruinen, die sich nach 25 Jahren, wenn dann das Geld aus ist, wieder zu einem zweifelhaften Neustart quälen, sind sie fit geblieben, schlank, jugendlich, ehrlich.
Ja, die Typen von Sloan haben so eine sympathische Ausstrahlung auf mich, dass ich sie am liebsten sofort kennenlernen und viele Abende mit ihnen verbringen würde. Wenn ich gute Laune hatte, zog ich früher zur Verdeutlichung, was ich von Menschen oder Bands halte, immer heran, was ich machen würde, wenn sie bei mir an der Haustüre klingeln und ich so von oben aus dem ersten Stock durch das Fenster auf die Strasse auf sie herunterblicken würde, so wie ich das bei jedem anderen Menschen auch tat, der in Wirklichkeit vor meiner Tür stand.
Da gab es dann welche, auf die ich schießen wollte und solche, für die ich extra Katzenscheiße gesammelt hätte. Keine Katzenscheiße, aber wenigstens laut beschimpfen, dass alle Nachbarn es hören, war auch eine Option und dann gab es natürlich auch welche, die ich sofort hereingelassen hätte. Und Sloan … Sloan hätte ich sicherlich gebeten, bei uns einzuziehen, hätte das verlassene Kinderzimmer für sie frei gemacht und unser Leben mit ihnen geteilt. Jeden Tag zusammen gefrühstückt, abends ein wenig in der milden Sonne um die Häuser spaziert, um dann auf ein Konzert zu gehen. Das perfekte Leben.
Wenn man das mag …