Hilary Hahn & Hauschka – Köln, Philharmonie (ca. 500 Zuschauer)
Ich dachte ja, ich würde der Verlottertse im ganzen Laden sein. Aber nee … der latschte neben der Dame im Ballkleid auf die Bühne. Hauschka ist sicher einer der interessantesten deutschen klassischen Pianisten, ein sehr entspannt wirkender Geselle, der seine Musik definitiv liebt. Meist spielt er mit dem präparierten Piano, minimalistisch, improvisiert, ganz wie John Cage, sogar über dessen Zufallsprinzip hinausgehend, da er seine Zufälle auch mal gerne mit der Stoppuhr verfolgte. Hauschka liebt das wirklich Unberechenbare, die Störgeräusche und die besondere Brisanz nimmt er daraus, dass er sein Instrument nicht mitnehmen kann und sich an jedem Ort auf neue Überraschungen freuen darf.
Mit Hilary Hahn hat er eine Kollaborateurin gefunden, die ja so ganz anders ist, wie der experimentelle Freigeist. Sie spielt vorallem klassische Sonaten, vorgegebene Kompositionen, nichts wird dem Zufall überlassen. Für beide daher ein Hinauslehnen, Ausprobieren, aber da haben sich schon zwei gefunden, haben über 2 Jahre des gelegentlichen Treffens ihre Musik entwickelt, letztes Jahr das Album “Silfra” aufgenommen, anschliessend weiterentwickelt und das bekamen wir nun heute zu hören.
Die Basis sind Hauschkas minimalistische Vorgaben. Erst als er beim letzten Song das meiste davon rausholt, bekommt man eine Vostellung davon, was er da nicht alles auf und zwischen die Saiten geklemmt und geklebt hat. Das gesetzte Spiesserpärchen (Abo?) vor mir zuckte jedenfalls immer wieder neu zusammen, wenn er was auf den Boden warf oder wie jeder anständige Musiker das Gaffa mit dem Mund abbiss, freilich im Takt, um wieder ein paar Saiten zu verkleben.
Die Geige säbelte dazu, mal unterstützend, leise, kaum hörbar, aber wenn die mal richtig anfing … und Raum griff … einen Spreizschritt tat … und den Bogen von oben bis unten durchzog, dann vibrierte die Luft und man sank förmlich in den Sessel zurück. Ich kenne Hilary Hahn nicht, die amerikanische Geigerin, die, obwohl noch recht jung, schon seit 15 Jahren an Berühmtheit gewinnt, aber in diesen Momenten spürte man ihre dynamische Kunstfertigkeit und hier nun auch ihre inspirative Kraft.
Sonst war alles Hauschka. Der bescheidene Gott im Saal, der konzentriert aber freundlichen Ausdrucks seine Kompositionen durchlebt, meist am Ende ein paar Sekunden ausharrt, Sekunden, in denen er sich und uns erlaubte, in der Emotion des Stücks zu verharren, der Kunst, dem Piano, dem Publikum, dem Raum, dem Moment Demut und Würde zu widmen, um dann mit einem Augenaufschlag und einem Lächeln das Ende des Stücks zu bedeuten. Wunderbar, ein anständiges Publikum zu haben, das dies gerne auskostete.
Ich selbst war bereits nach wenigen Sekunden in Eis gepackt. Komplett. Überall am Körper. Phantastisch.