Mute Swimmer, Ionian Death Robes, Ignatz Höch – Berlin, Donau 115 (30 Zuschauer, packed!)
Wenn man die allgemeine Trostlosigkeit im kreativen Schaffen der heutigen Musik betrachtet, ist auch der Folk nicht davor gefeit. Jeder Strassenmusiker jammert heute im selben vor ungefähr 25 Jahren geprägten Indie-Stil vor sich hin, was sich als ein weiterer Grund etabliert hat, dass ich Fussgängerzonen meide.
Nicht so Guy Dale, der Mensch hinter Mute Simmer. Guy folgt keiner Vorhersehbarkeit. Er vermag seine Songs in viele Gewänder zu kleiden und höchst unterschiedlich zu arrangieren, auch mit variablen Besetzungen und Instrumentierungen. Wiederholungen und damit Langeweile sind ausgeschlossen, denn Guy findet immer neue Wege.
Im Donau115 bediente er sich ausser Akkustikgitarre und Stimme keiner weiteren Mittel, doch dadurch konnte man seine ursprünglichen Qualitäten erspüren. Dazu zählt für mich als erstes seine völlig unprätentiöse Art, ein Publikum durch seine Ausstrahlung einzuwickeln. Seine wunderbare tiefe, leicht rauhe Stimme und der fast schon gespenstische Flow des Gitarrenpickings tragen die Songs, aber darüber schwebt die Fähigkeit, seine Emotionen offenzulegen.
Ich habe es schon öfter gesagt und es gilt nachwievor: Mein Zugang zu Kunst funktioniert nur über die Emotion. Da ist ein Rezeptor offen und wenn die Kunst noch so hochwertig ist, wird der passende Schlüssel nicht angeboten, dann rauscht das an mir vorbei und ich kann es nur mit dem Verstand würdigen und das ist mir zu wenig. Ich brauche Gefühle und sind wir im Spiel.
Guy zeigt seine Gefühle und beseelt nicht nur seine Musik damit, sondern seine ganze Performance, sein Standing, seine Ansagen und das ist keine Show, sondern das ist Natürlichkeit, schafft Sympathie und die schwappt über. Die Folge ist ein mucksmäuschenstilles Publikum und der Moment des Abends, als eines der anwesenden Mädchen beim Refrain so hörbar mitsummt, dass Guy vor lauter Ergriffenheit den Refrain noch zweimal wiederholt.
Ich könnte euch mehr erzählen über ungewöhnliche Akkordfolgen, überraschende Stop-and-Go’s, über Dynamik, die von flirrender Stille bis zu Ausbrüchen führt, dass man das Holz der Gitarre wie das Gebälk eines alten Schiffes ächzen hört und Guys Ruf, der, Augen und die Stimme nach irgendwo gerichtet, noch die Vögel im Nachbarviertel aufflattern lässt.
Glücklicherweise gehen die Momente, in denen der Rezeptor geradezu überschwemmt wird, über meine bescheidene Kraft hinaus, das in Worte zu fassen. Mute Swimmer sei euch aber als besondere Ausnahme ans Herz gelegt, wenn ihr euch für Folk/Singer-Songwriter interessiert und mehr hören wollt, als das übliche Indie-Klischee.
Davor machten sich die Ionian Death Robes bereits daran, dem Abend Tiefe zu geben. Auch wenn sie auf das ominöse Laptop noch nicht ganz verzichten, das die beliebte Mischung aus düsterem Rauschen und Brummen als Teppich von sich gibt, so beweisen sie, dass sie auch alleine mit Flöte und Geige eine sehr dichte Atmosphäre schaffen können, mit einfachsten Mitteln, mit wenigen aber den richtigen Tönen und mit dem nötigen Einfühlungsvermögen. Die beiden Damen überzeugten vorallem aber auch mit einem klugen Händchen für die Länge des Sets, das nur aus zwei längeren Stücken bestand und damit den bereits überschrittenen Zeitplan des Abend entspannte.
Damit wäre auch alles das beschrieben, was Ignatz Höch fehlt, der als erster die Bühne, also die Ecke des etwa wohnzimmergrossen Donau115 in der die Künstler stehen, betrat. Ignatz würde ich als perfektes Beispiel für Outsidertum beschreiben, ob kalkuliert oder nicht, kann ich von diesem ersten Eindruck her nicht beurteilen. Die techno-inspirierte, vorproduzierte Musik aus dem Laptop ist sperrig, was ja mal nicht grundsätzlich schlecht ist, effektiv aber auch nicht wirklich gut. Dazu spricht und singt er ohne Phrasierung, ohne Orientierung an Tonhöhe oder Bindung an Gefühle, seine Texte, die er auf dem Klemmbrett vor sich abliest. Die Länge des Sets wirkte ebenso unsensibel wie eigentlich alles andere auch. Es fühlt sich fast schmerzhaft an und seine Aufregung ergreift mich derart, dass mir unwohl wird und ich nicht mal in der Lage bin, seinen Texten zu folgen. Der einzige Grund, warum Ignatz nicht zum ärgernis wird ist, dass er in seiner Unbeholfenheit nicht unsympathisch ist und wir hier ausserdem in Berlin sind, einem Ort der diese Dinge ermöglicht. Und das muss so bleiben! Dafür auch herzlichen Dank an das Stille Kammer Art Collective, das das Konzert veranstaltet hat.