Berlin Beat Invasion 2019 – Berlin, Marie Antoinette (ca. 200 Zuschauer) Die Berlin Beat Invasion ist quasi das Schwester-Festival des Garagevilles in Hamburg, auch wenn sie sich nicht gemeinsam organisieren. Es geht immer los mit einem Abend in irgendeiner Bar, wo DJs zum Vorglühen einladen. Dann kommen zwei Hauptabende mit Livebands in einer größeren Location (woanders muss ich mich immer auslachen lassen, wenn ich von einem “großen” Liveclub spreche, in den dann gerademal 250 Leute reingehen) und am Sonntag gibts nen Ausklang auf einer Bootsfahrt, wieder mit DJs oder manchmal auch kleiner Kapelle.
Der Live-Freitag bot Folgendes:
The Jack Cades (UK) Dafür, dass sie ja fast schon sowas wie eine Supergroup der aktuellen britischen Garage-Szene sind, war der Auftritt für mich doch sehr enttäuschend. Ich finde jede ihrer anderen Bands besser und hätte von dem Promi-Paar Mike Whittaker (The Baren Four, Thee Vicars) und Elsa Grooveh (The Missing Souls) doch mehr Inspiration erwartet. Mole, ein weiterer Meilenstein und vielleicht der beste Musiker den die Garageszene momentan zu bieten hat, trägt offensichtlich nicht mehr als seinen Drums-Part bei, denn auch seine anderen Bands (The Embrooks, The Baron Four) haben bessere Songs als die Jack Cades zu bieten. Ich war wirklich sehr gespannt, ehrlich gesagt, so gespannt wie bei keiner Band des Festivals und vielleicht waren auch nur die Erwartungen zu hoch. Das Problem bei den Jack Cades bin also eher ich selbst, hehehe. Trotzdem Fazit: langweilig.
Los Malinches (ES) Spanische Band mit Garage, Surf and “Psicodélico”, wie er in den späten 60er überall in Lateinamerika gespielt wurde. Mit dem Drummer als Hauptakteur, Sänger und Entertainer eine lustige Kombi. Songs und Darbietung wussten zu überzeugen, leider bin ich aber kein allzugroßer Fan weder von Surf noch von dem ganzen Lateinamerika-Kram. Ich mag die spanischen Bands der 60s-Szene, ehrlich gesagt, am wenigsten. Auch der ganze Texmex und Co., das ist nicht so mein Ding. über die hier möchte ich aber nichts Schlechtes sagen. Die waren sympathisch und unterhaltsam. Die Coolness kam nicht aufgesetzt rüber sondern hatte ne ordentliche Portion Selbstironie.
The Mourning After (UK) Werden als legendäre Gang gehyped, da sie zwischen 1987 und 1999, also schon vor längerer Zeit aktiv waren und hier und da gute Gigs an Land ziehen konnten. Ich fand sie auch ok und sympathisch, aber wenig catchy, etwas hüftsteif und auch wenig originell, will sagen, es wundert nicht so ganz doll, dass man wenig von ihnen gehört hat.
Das Liveprogramm am Festival-Samstag:
The Colour Collection (NL) Ganz neue Band aus Eindhoven, die hier ihren ersten Gig in Deutschland hatte. Ich fand sie ausgezeichnet. Auf einer Orgel, die viel Melodie machte und von einer 66er-12string-Byrds-Gitarre gekontert wurde, bauten sie ihre stimmigen Kompositionen auf, darunter eher zurückhaltende Rhythmik, so dass der Punk der Band eigentlich das Mädchen an Gitarre und Gesang war.
Les Synapses (F) Ich liebe diese Kombo aus Le Havre über alles. Für die tanzfreudigen Partypeople war das vielleicht der psychedelischen Kost zu viel und auch die GoGoGirls konnten den Rhythmuswechseln nur schwer folgen. So leerte sich der Saal zu meiner Freude. Das mainstreamigere Publikum, das die einfacher verständlichen Botschaften liebt, durfte sich jetzt eine Pause gönnen. Das sind ja dann die Leute, die über die DJs reden, wenn man sich über das Programm des Abends unterhält. Lustig, wie man sich manchmal falsch verstehen kann. Bei den Synapsen also diesmal nur noch die wahren Gourmets im Saal. Tat ihnen keinen Abbruch und beeindruckte sie überhaupt nicht. Die wissen auch schon seit 20 Jahren wo sie hingehören, nämlich ins Nirgendwo, aber dafür werden sie immer eine Legende sein, auch wenn sie vielleicht keine Nachahmer finden werden. Das wäre das Coolste überhaupt … wenn junge französische Bands anfangen würden, mit French-Psychedelic-Beat berühmt zu werden und in Interviews bei Letterman “Les Synapses” als ihre Wurzeln nennen würden.
The Woggles (USA) Wow, das erstemal in Berlin, dass ich Rudi Protrudi auf einem Konzert sehen konnte. Natürlich war er nur (wenigstens) wegen den Woggles gekommen, schätze ich mal, denn während den anderen Bands bekundete er offensives Desinteresse und laberte irgendwelche Kids voll, die willig waren, ihm zuzuhören. Dazu breitete er seine halbmeterlangen Fransen der Wildlederjacke um sie wie ein Dracula kurz vor dem Biss. Manfred gönnte ihm ein kurzes Gespräch in der öffentlichkeit, dann ging es los. Die Alltime-Fave-Party-Kings mit dem Schmiss und der Erfahrung von 30 Jahren 60-Garage-Rock’n’Soul. Immer noch eine der besten (wenn nicht überhaupt DIE beste) Livebands der Nische. Ich habe sie ja schon hundertmal sonstwohin gelobt. Zwei Gitarristen haben sie schon in den Sarg gerockt. Der eingesprungene Gitarrist Graham Day (The Prisoners, Solar Flares, Thee Mighty Caesars) ist ein Veteranenkumpel des verbleibenden, aus Atlanta stammenden Trios, konnte die Riffs aus dem FF und hätte vergessen lassen, dass er kurzfristig eingesprungen ist, hatte aber leider den einzigartigen Bewegungsstil seiner Bandkollegen noch nicht drauf, haha. Fast immer wenn Hagstrom seine Klampfe in den Himmel schob, hatte er seine grade unten und umgekehrt. Das nahm dem bedauernswerten Kerl aber keiner übel, denn er schmiss sich wirklich ins Zeug wie ein ganz großer Woggle. Diese speziellen Moves, diese Bewegungseleganz, der richtige Schritt im richtigen Moment, einmal ausholen, dann hoch mit dem Ding und so halten, dass man immer noch spielen kann … das ist allergrößte Kunst und das hat man nicht von heute auf morgen drauf. Ich war sehr beeindruckt und da die Band eine derart sympathische Ausstrahlung besitzt, können sie eh nix falsch machen. So haben sie also auch der Berlin Beat Invasion den würdigen Ausklang verschafft. Woggles: Love Forever!
Der zweite Abend der Beat Invasion gefiel mir deutlich besser als der erste und gab der Sache das Gefühl, wenigstens vom Programm her einer rundum gelungenen Veranstaltung beigewohnt zu haben.