Drunks With Guns (1987, Chopper Records)
Wahrscheinlich einer der glücklichsten Käufe meines Lebens. Ich hatte den Bandnamen wohl schon mal gehört und fand ihn natürlich top-of-the-pops. Aber dass mir diese Platte in die Hände fiel, war eine schicksalhafte Zusammenführung, denn damals interessierte sich noch niemand für Platten auf denen kein Schriftzug war, kein Name, kein Titel – so wie das heute jeder zweite tut.
Diese Platte ist einfach nur schwarz, ohne irgendwelche Schrift und auch noch komisch beschichtet. Fühlt sich irgendwie anders an. Auch die Label auf der Platte sind vollkommen unbeschriftet. Dafür liegt ein Insert bei mit einem Foto der Band (ein paar Ami-Asis, die dämlich grinsend in ihrem Proberaum inmitten leerer Bierdosen hocken) und da stand der Name “Drunks with Guns”.
Ich schaute nach links und rechts, während ich sie verstohlen unter meinen Arm klemmte. Diese Platte hatte nur auf mich gewartet, aber sie wäre eh von niemandem anderem gekauft worden, da mir heute noch völlig unklar ist, wie die in das Sortiment eines grösseren Schallplattenwarenhauses in Stuttgart gekommen war. Wer zur Hölle hat diese Platte in Deutschland vertrieben? Es gab kein Etikett, natürlich keinen Barcode, nix.
Ich hatte das Gefühl, Teil einer Intrige zu sein, so als hätte mir jemand eine Botschaft zugesteckt, die ein mieses Verbrechen deckte … und ich half dabei!
Ihr müsst wissen, 1987 war die Welt noch in Ordnung (tatsächlich wurde die Platte sogar schon zwischen 85 und 86 eingespielt). Die erste Welle der politischen Unkorrektheit, zumindest die ich mitbekam, sollte erst in Kürze starten. Klar, seit Walther von der Vogelweide gab es bestimmt hunderte von Wellen, während derer sich die Vogue von schwarz nach weiss drehte und zurück. Aber für mich war diese Platte ein kleiner Schock und das fing schon beim Bandnamen an.
Boah, Drunks With Guns. Und so wurden und blieben sie für mich die Quintessenz dessen was später hunderte von Bands waren, die über Labels wie Amphetamine Reptile oder Touch And Go aus den Staaten herschwemmten. Ich nenne es heute die Sicko-Welle, wie nannte sich das denn damals (Altersdemenz klopft an)? Der Sound konnte nicht noisy und walzend genug sein, die Lyrics und vorallem die Bandmitglieder nicht kränker und absurder.
Aber über allem standen Drunks With Guns. Bis heute hat niemand ihren primitiven Sound getoppt, der klang als käme er aus dem Proberaum nebenan, mufflig, ohne Höhen aber durchweg extrem cool und konsequent.
Gitarre und Bass sägen immer synchron einen Riff. Kein Gekniedel oder Geätze. Niemals gibt es Übergangsläufe oder wird überhaupt nur mal eine einzelne Saite angeschlagen. Die Riffs aber sind cool. Eigentlich fast schon Punk, nur dass man das damals so nicht sah, denn Punk war ja korrekt. Und damals tobte gerade die erste Welle des Crossovers rein. Punk war unfassbar schnell und baute die ersten Metalelement ein. DRI, Napalm Death, diese Bands waren Mode. Drunks With Guns waren eher langsam, höchstens Midtempo. Es gab keinen einzigen Rhythmuswechsel, keine Trommelwirbel, nur Holz von vorne bis hinten.
Der Gesang war durchweg von ergiebigem Gerotze, Geräuspere und Knurren begleitet, aber nicht so wie die Metalbands später. Das war ja nicht ernst. Das klang einfach nur maximal angepisst und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, als hätten sie sich grade einuriniert und zwangen sich nun auf eine Bühne, um ihren unkontrollierten Hass loszuwerden. Ein Traum!
Später gabs dann auch Platten mit Titeln und allem. Die Welle ging los. Bands mit dem Etikett “!00% politically uncorrect” waren cool und Drunks with Guns wussten auch das zu übertrumpfen, in dem sie ein kleines Mädchen als Sängerin in die Band nahmen. Wenigstens lacht sie auf dem Foto der ersten Single, auf dem sie, nahezu in Unterwäsche, als “unser neu Führung Sänger” angekündigt wird. Mehr Schindluder konnte man als Musikschaffender ja fast nicht treiben. Man wurde als Fan quasi zum Mittäter.
Würde sie auf dem Foto nicht lachen und wäre die Single nicht sogar auf Glitterhouse erschienen, hätte man wirklich vermutet, hier eine Grenze erreicht zu haben, die nicht überschritten werden darf.
Und wenn Epigonen des Subgenres wie Flipper noch heute von allen Alternative-Rock-Superstars als Einfluß genannt werden und Europatouren spielen, wollte niemand diese Irren aus St. Louis als sein Vorbild haben, hahaha. Dafür, liebe Drunks with Guns, bin ich euch in Liebe verbunden – FOREVER!
Und bitte verwechselt sie nicht mit der Band selben Namens, deren Facebook-Seite man findet. Unsere Drunks with Guns hier, waren schon weg vom Fenster, als der große Internethype losging.
Das hier müsst ihr lesen: Ein Konzertbericht über Drunks with Guns 1984 als Vorband von Samhain!!!
https://www.flickr.com/photos/kopper/2267200621/