Motorpsycho – Festsaal Kreuzberg (ca. 500 Zuschauer)
Ich mag ja Progrock, lieber aber die 70er-Bands, solange sie nicht zu aufgeblasen sind. Die Progbands, die dem Alternative-Rock entsprungen sind, eher nicht. Daher gingen Motorpsycho ziemlich glatt an mir vorbei. Ich hatte mal ne Platte. Aber nachdem sie mir nach zweimaligem Hören nicht zusagte, hab ich sie wieder verkauft. Nachdem mein neuer Mitbewohner Martin mich fragte, liess ich mich aber natürlich trotzdem gerne drauf ein. Vorher noch kurz in eine jüngere Platte reingehört, die dann aber nur Ängste beschwor, dass es ziemlich metal wird, was sich dann aber glücklicherweise kaum bestätigte.
Und dann der Schock … und hier hätte geholfen, noch besser zu recherchieren: Neben dem Wikinger-Triumvirat schlappte – quasi ohne Vorwarnung – mein Lieblingsgitarrist der Neuzeit auf die Bühne, Reine Fiske, der vorallem mit den schwedischen Dungen mein Herz erobert hat. Dass er Motorpsycho schon für mehrere Produktionen begleitet hatte, öfter auch live, war mir völlig entgangen. Unverhofft kommt zwar nicht oft, aber diesmal brachte es den Abend schon bevor der erste Ton gespielt wurde, auf ein ganz anderes Level und ich verlor ziemlich die Kontrolle über meine eintrainierte Coolness. “Reine Fiske!!!! Das ist REINE FISKE!!!” schrie ich wild meinen Begleitern zu, die, als TOTALE Motorpsycho-Cracks eher leicht pikiert waren, dass ich als Ungeweihter eine derart überzogene und eigentlich auch fehlgeleitete Begeisterung für ein eher “unbedeutendes” Detail äusserte.
Ich liess mich davon aber nicht beeindrucken und harrte gutgelaut der Dinge. Da Dungen bislang nur 4 Auftritte, und diese schon vor etlichen Jahren, in Deutschland gespielt haben, hatte ich leider nie Gelegenheit sie live zu sehen, auch Fiske bislang nicht, der ansonsten durchaus in mehreren anderen Bands spielt, aber in Motorpsycho eben nicht als festes Mitglied. Wie auch immer … wegen mir konnte es losgehen.
Dass Motorpsycho auch mal drei Stunden spielen, war mir bereits zugetragen worden, ich hatte aber heimlich gehofft, dass sie das nicht immer machen. Weit gefehlt! Zweieinhalb Stunden regulär und eine halbe Stunde Zugaben brachten meine Begleiter zu glühenden Lobesreden, aber mir ist das schlichtweg zu lang. Wie sagte schon Klaus Schulze? “Die Perfektion liegt in der Quantität.” Hat er das wirklich so gesagt? Wenn ja, dann verstehe ich das in diesem Zusammenhang schon. Für die Fans ist diese Ausprägung aber geliebtes Programm. Zudem spielen sie wohl jeden Tag auch ein anderes Set, was ich dann doch für extrem bemerkenswert halte … so es denn tatsächlich stimmt.
Musikalisch bringen die Norweger das auch solide über die Bühne. Man hat tatsächlich das Gefühl, für diese Jungs gibt es nur Musik, sonst nichts, und das 10 Stunden jeden Tag. Die Songs sind lang und komplex und es ist schon phantastisch, wie sie sich das merken können. Für meinen Geschmack war es erträglich, nur die Akkustiksachen gerieten fast schon etwas schmalzig und, dass sie gesanglich nicht allzu top sind, kann man verschmerzen, da ohnehin meist gedudelt wird. Wir sind hier ja auch nicht im Land der professionellen Kritikbehörde sondern für uns hier darf man auch mal was schlecht machen.
Am Besten fand ich eine sehr lange, fast Tangerine Dream Ära Zeit/Atem-mässige Passage, bei der Fiske das Mellotron bediente. Ich bin dann am Ende natürlich auch ganz vor gegangen und hab ihm zugekuckt, wie er während der Zugabe drei oder vier kleine Underberg-Fläschchen leerte. Wenn man bedenkt, dass er nur einen Job als Halbtagsspringer bei denen hat, finde ich seine Leistung sogar am beeindruckendsten. Gut gemacht, Reine.