A.A. Williams, Kalandra, Lys Morke – Mo., 27.11.2023, Berlin – Kantine am Berghain

2023

A.A. Williams, Kalandra, Lys MorkeBerlin, Kantine am Berghain (ca. 300 Zuschauer, ausverkauft)
“Blind Date”, nennt das mein Freund Heinz (Namen wurden von der Redaktion nicht geändert). Wenn man sich von jemand anderem auf ein Konzert einladen lässt, wo man keine Ahnung hat, was einen erwartet und daher niemals von alleine dahin gefunden hätte. Und nach der Erfahrung eines Rockstars aus der Schweiz, der mir eine ähnliche Praxis vorgeschlagen hatte, soll dies durchaus zu erquicklichen Erlebnissen führen.
Will sagen, ich kannte keine der Artisten auf dem Billing und war zwar nicht total schockiert aber auch nicht allzusehr begeistert, als ich mich oberflächlich über sie informierte. Mir schwante ein langweiliger Abend mit deutlich zu ruhiger Musik für mich.
Lys Morke erwies sich vorneweg schon mal als ziemlich disco. Reine Elektromusik mit Technobeats und Mädchengesang. Da zerrten mich meine Begleiter quasi direkt wieder raus, mit der Frage, ob ich mir das antun wolle. Lys wurde als Special Guest angekündigt und danach wurde klar, dass die beiden anderen Bands im Package unterwegs waren.
Kalandra aus Norwegen erwies sich für mich als das gesparte Geld wert, denn die Karten waren bereits von abgesprungenen Leuten bezahlt worden, haha. Sie machen so eine Mischung aus Nordic Folk (wenn ich das mal so bezeichnen darf) und modernen Elementen. Die Typen sehen bisschen Mittelalter-Metal aus, doch auch wenn das so manchem Metal-Menschen gefallen könnte, so entbehrt ihre Musik so ziemlich alle grundlegenden Elemente des Schwermetalls. Die beiden Gitarren schweben entweder oder tickern eher rhythmisch, doch nichs davon ist heavy. Die Gitarren klingen eher wie Keyboards, schweben zumeist mit dem Schweller rein oder werden mit dem Bogen gestrichen. Das Schlagzeug viel über Toms, eher auch mittelalter/atavistisch, dennoch eigentlich das einzige wirkliche rockige im Ouvre. Bass gibt es keinen. Man fragt sich ohnehin, wo die Soundburgen herkommen, auch der mehrstimmige Gesang des Mädchens, teils mit gegenlaufenden Melodien. Keine Ahnung, wie sie das gemacht haben, aber ihr hört schon, da ist einiges, was den zugegebenermaßen perfekten Sound ausmacht, über Einspielungen, Playbacks, wie auch immer reingepackt.
Dennoch: Diese Mischung, das Mädchen mit dem nordisch-folkig-verträumten Gesang, die strammen Jungs mit ihren langen Haaren, Bärten und Norweger-Kutten und dazu ein meist sehr ruhiger, aber nicht fader Songkader, funktioniert sehr gut. Ich glaube, da haben sich ein paar Leute wirklich gefunden und ein stimmiges Ding entwickelt. Da treffen Mittelalter/Fantasy, Folk, Indie, Rock, Dream Pop und sonstnochwas aufeinander, trotzdem ist es ein Ganzes, nichts Fahriges. Es ist klar und eigen und rennt nicht irgendwelchen klassischen Mechanismen hinterher. Das spricht für die Qualität und die Zukunft dieses Quartetts.
Ich hab mich gut unterhalten gefühlt. Mir war das zu keinem Zeitpunkt langweilig und ich fand das Setting perfekt. Sound, Aussehen und Kompositionen, der ausnehmend professionelle musikalische Vortrag und der dramaturgische Aufbau liessen mich am Ende behaupten, dass Kalandra in Kürze wesentlich an Berühmtheit zulegen werden. Zumindest für die ganzen großen Festivals sollte es demnächst reichen. Auch den Gesichtern der Fans würde ich da folgen. Die waren echt hinundweg.
A. A. Williams danach, ist ein Mädchen wie viele. Schwarzer Pony, düsterer trauriger Blick. Emiliy Strange oder Wednesday lassen grüßen. Dazu passend düstere ruhige Songs aus ihrer eigenen Feder, auch mal solo, also passt auch die Bezeichnung Singer-Songwriterin, hier aber mit Band.
Und dann wechselt ruhig mit brachial ab, leider in vorhersehbarer Reihenfolge. Sie spielt Gitarre und ja, sie kann gut singen. Die Mädels vorne wollen alle sein wie sie. Musikalisch geht’s aber nirgendwohin, was man nicht schon kennt. Einer ihrer Begleiter spielt auch Gitarre und etwas Klavier. Kein Ton, der nicht irgendwie klassisch, um nicht sogar zu sagen, platt und fad ist. Das Schlagzeug durchgehend im Uff-Ta aber seeeeeehr langsam. Schön hart, sicher und gut, aber keine Variation. Ihr hört schon, es hat mir nicht sonderlich gefallen und wir sind dann auch nach nicht mal einer halben Stunde los, auch wenn meine Begleiter insgesamt eher von Williams angetan waren als von Kalandra.
Nungut. Trotzdem ein schönes Blind Date. Hat mir gefallen, mal was auszuprobieren, wo ich sonst niemals gelandet wäre.

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