Mick Harvey + The Invisible Blue Unicorns – Leipzig, Moritzbastei (abgezählte 30 Zuschauer)
Unter dem Untertitel A Musical Phantasmagoria with Mick Harvey, JP Shilo & Sometimes With Others versammelt der große Gute unter den noch lebenden Underground Ikonen eine Horde Ähnlichdenker, wohl alle mehr oder weniger auch von seinem Wirken beeinflusst.
Eigentlich unverzeihlich, dass dem nur so eine kleine Horde Hartgesottener beiwohnen mochte und die endgültige und schreckliche Bestätigung, dass wir nunmal in einer anderen Zeit leben und der ausgesuchte Zirkel des australischen Swamp-Blues heute nur noch bei Vereinzelten auf dem Zettel steht und schon gar nicht die Leute, die die Drähte eher im Hintergrund gezogen haben.
Da Cave, Neubauten und Kohorten wenigstens früher einen Gutteil ihres Anhangs aus dem Gruftie-Lager bezogen und Leipzig ja als das Mekka der Goth-Punks in Deutschland gilt (oder hab ich da was falsch aufgeschnappt?), hab ich mich zudem etwas gewundert, dass sich auch von denen nicht ein einziger auf dieses Konzert bequemte … naja, sagen wir mal zwei könnten dagewesen sein, für sie liegt die Gruft-Zeit aber auch schon 40 Jahre in der Vergangenheit.
Und während die Großen im Zirkel wie Cave und Neubauten immer noch vierstellige Zuschauerzahlen haben, zeigt die jüngste Erfahrung, dass wohlbeteiligte Mitstreiter, sodenn sie nicht im eigenen Quartier spielen, gerne auch mal mit 50 oder noch weniger Hörern zurecht kommen müssen, siehe Hacke und Picciotto im UT Connewitz oder auch das Ding mit dem bösen Wolf, bei dem ja neben Hacke und Gemahlin auch Harvey mit an Bord war und das seinerzeit in Köln ebenfalls von einer ähnlichen Meute heimgesucht war. Es ist schade und traurig, aber es ist wie es ist.
Und dem elendigen Gejammer folgen jetzt tatsächlich auch noch ein paar Worte übers Konzert. Sie mischten die unterschiedlichen Kombination an Akteuren bunt durch. Das machte den Abend sehr abwechslungsreich und sie brachten zwei Sets, so dass man zwischendurch mal zwei rauchen durfte. Alle begleiteten sich gegenseitig, also bei Shilos und den Somethings’ Sachen sass Harvey am Piano oder auch mal etwas mit Krachgitarre. Shilo begleitete neben seinen eigenen auch die Somethings’- und Harvey-Sachen usw. Für Harvey kam dann noch die Mexikanerin Amanda Acevedo zum Duett, was ich mir zunächst ganz schrecklich vorstellte, in Wahrheit dann aber sehr cool zusammenpasste, fast ein bisschen Anita Lane-mässig.
Alles in allem war es seeeeeeeeeeehr ruhig. Beim zweiten Song dachte ich schon darüber nach, wie ich das wohl bis zum Ende durchstehen sollte, aber durch die unterschiedlichen Komponisten und Vortragenden blieb es stets interessant und am Ende, so ganz kurz vor Schluß wurde dann doch mal ordentlich hingelangt. Shilo durfte dafür sogar mal einen spontanen Applaus einsacken und wir alle konnten uns endlich entspannen und attestierten dann doch, dass wir ein echt gutes Konzert gesehen hatten. Wie sollte es auch anders sein, wenn ein Mick Harvey die Bühne betritt und auch immer fleissig Witzchen reisst, dass er jetzt auch nicht wisse, wie er den nächsten Song singen könnte. Ich hatte es nicht ganz mitgeschnitten, denke aber, dass er erkältet war oder vielleicht am Vorabend so abartig brutal abgestürzt war, dass …. nein, nehmen wir das erste.
Dennoch: Auch wenn Something With Others echt ne coole (und auch eine auf gutes Aussehen bedachte) Band ist, sie haben auch viele Aktien im Cool Jazz und … sind daher keine Punks, sogar wenn Kristof Hahn mit dabei gewesen wäre (offensichtlich gehört oder gehörte er zur Band, aber heute war er jedenfalls nicht da). Die grössten Punks auf der Bühne waren die beiden alten Säcke, nämlich der gute Mann selbst und Shilo. Die anderen waren so abgebrühte Profis, die bringt nichts aus der Ruhe. Aber die ziehen auch ihr Bier runter wie Leitungswasser, während Shilo sichtlich nervös war und am Ende den Abend mit seinen Noiseattacken für alle Anwesenden ins Schwarze brachte, während Harvey mit seiner Akkustikgitarre versehentlich seine Amanda umrammte und sonst immer nen abfälligen Witz über sich selbst auf den Lippen hatte.
Das fühlt sich schon alles sehr wohl an. Ich werde auch nächstes Mal wieder da stehen, wenn er sich blicken lässt, auch wenn wir dann nur noch zu fünft sind.