Haldern Pop Festival, 13.08.-15.08.2015
…jedes Jahr ein wunderbares Sommerschmankerl in der hiesigen Festivallandschaft. Auch in der 32. Ausgabe des Haldern Pop Festivals bewahren die Realisatoren ihre Tradition und schaffen im niederrheinischen Rees-Haldern wieder ein sommerliches Festivalidyll. Zugegeben, ein fieser Wolkenbruch am Samstagnachmittag schmälert etwas die Festivallaune, Hartgesottene gesellen sich aber dennoch bei strömenden Regen zu Father John Misty und The Slow Show vor die Main Stage. Aber der Reihe nach und erst mal zu den trockenen Angelegenheiten.
Am ersten Festivaltag bespielen AnnenMayKantereit die Byzanz-Bühne des Biergartens. Unfassbar wie die Stimme von Henning May (der Bandname speist sich aus den Nachnamen der Mitglieder (Christopher Annen – Henning May – Severin Kantereit) dem Organ von Tom Waits gleicht. Wobei der junge Mann hier auf der Bühne gerade sein 22. Lebensjahr erreicht hat und ziemlich trocken daherkommt. Ein weiterer Höhepunkt an diesem Abend sind die französisch-kubanischen Zwillingsschwestern Ibeyi. Die Töchter des Buena Vista Social Club Perkussionisten Miguel „Angá“ Díaz, liefern mit ihrer entschleunigten Bassmusik eine absolut eindringliche und berührende Show ab. Die Damen verzaubern das Publikum im größeren Spiegelzeit genauso gut wie im intimen Kreis der Kölner Klubbar King Georg. Nach den Auftritten der Österreicher Bilderbuch und des abgespacten Dan Deacon beschließt den Eröffnungsabend das Elektro-Duo Public Service Broadcasting. Ganz interessant, da bei ihnen die Vocalparts ausschließlich aus zusammen geschnittenen Stücken öffentlich-rechtlicher Rundfunksendungen bestehen.
Der zweite Festivaltag gehört – wie soll es auch anders sein – den Mädels. So vermag die britische Spoken Word Künstlerin Kate Tempest auch bei diesem Festival das Publikum mitzureißen: Intelligente, rasant schnelle Lyrics treffen auf fette Bässe. Auch wenn ihre Band zunehmens personenmäßig abnimmt, kann sie mich zum wiederholten Male überzeugen. War sie beim Appletree Garden 2014 noch mit einer Begleitsängerin und drei Typen an den Reglern und E-Drums unterwegs, so sind an diesem Freitag nur ein Drummer und eine Frau an den Sequencern am Start.
Jedoch wird heute ein anderes Event noch die Main Stage abbrennen: Savages (Foto). Der Himmel schließt sich, die Wolkendecke lässt die Stimmung ins Bedrohliche abdriften, während die vier Damen aus London ihren düsteren Post-Punk um die Ohren hauen. Gerade die Sängerin Jehnny Beth schafft auch visuell eine Aura, der man sich nicht entziehen kann. Mit ihren hart abgesetzten Handbewegungen – die sie sich wahrscheinlich von Ian Curits abgeschaut hat – und ihrem starren Blick generiert sie ein stetiges Bild von Distanz. Den einzigen Deutschlandauftritt (Haldern Pop exklusiv!) nutzt die Band auch als Feuerprobe für ihre neuen Songs. Nachdem das neue Material abgefeuert und –gefeiert wurde, schlagen die Savages altbekannte Töne an, um die Masse richtig zum Kochen zu bringen. Mit „Husbands“ von ihrem ersten Album kulminiert die Performance der charismatischen Frontfrau. Barfuß balanciert sie auf dem Absperrgitter von linker zu rechter Bühnenseite, abgestützt auf den Händen der Fans um sich dann doch ganz ins Publikum zu werfen. Mit „Fuckers“ geht die großartige Darbietung der Savages zu Ende. Auf ein Neues hat diese Formation alle an die Wand gespielt, die sich auf europäischen Festivals rumtreiben. Auch Viet Cong haben es da schwer mitzuhalten, die eine Stunde später im Spiegelzelt auftreten. Dennoch eine vollkommen passable Show und mit ausufernden Noise-Passagen ein würdiger Abschluss des Abends, zumindest für mich.
Mittlerweile Samstag – letzter Programmtag. Und es regnet. Nicht zu knapp. Father John Misty fängt gleich auf der Hauptbühne an. Also los über den Campingplatz zum Gelände. Aber das was während diesen Metern bereits vom Himmel prasst, ist erst der Anfang. Dabei stehen noch richtig gute Acts auf dem Zettel. Nils Frahm und Kiasmos beispielsweise, beide beim Qualitätslabel Erased Tapes zuhause. Oder War On Drugs, die als letzter Termin auf der Main Stage spielen und nicht annähernd die Audienz bekommen, die sie verdient hätten. Der Regen ist einfach zu krass. Aber es gibt Hoffnung. Die Slacker-Königin Courtney Barnett spielt gleich im Spiegelzelt. Freilich fällt meine Entscheidung nicht nur wegen des Regens auf die australische Songwriterin. Mit ihrem ersten offiziellen Album und dem sensationellen Titel „Sometimes I Sit and Think, and Sometimes I Just Sit“ hat sie mich bereits im Frühjahr von den Socken gehauen. Und live performed Ms. Barnett mit zwei Mitmusikern ihre Stücke mal richtig laut und mit einer Extraportion Distortion. Was leider auch wieder die Pogo-Fraktion auf den Plan ruft. Ellenbogen sind in diesem Jahr etwas mehr „in“. Naja, etwas nervig, aber trotzdem ein gelungener Festivalabschluss.
Haldern Pop Festival – wir sehen uns gern und immer wieder!