Ghostwoman, Calvin Love – Mi. 12.11.2025 – Berlin, Festsaal Kreuzberg (ca. 800 Zuschauer), Foto: Chris Lauterbach
EIne Empfehlung vom Vorabend führte mich hierher. Ghostwoman? Nie gehört. Es stellte sich heraus, dass es sich um ein Duo dreht, heutzutage nach dem häufig verwendeten Gitarre-Schlagzeug-Prinzip. Ich möchte hierbei nicht unerwähnt lassen, dass ich selbst Ende der 90er Jahre ein Gitarre-Schlagzeug Duo gegründet habe. Manchmal hatten wir noch ne Orgel dabei. Die White Stripes gab es noch nicht und eigentlich war die Idee auch nur, eine Band OHNE Bass zu haben, dieses ungewöhnliche Klangbild zu produzieren. Vorbild waren für mich damals Bands wie die Gories und Oblivians. Ich werde nie vergessen, wie ich mit meinem Kumpan Pitschi auf meinem ersten Oblivians Konzert im Keller des Degerlocher Jugendhauses war. Das war 1995. Pitschi warf mich dabei – und ja, es war eher Werfen als Schubsen – von einem Ende des Saals in den anderen. Es war die völlige Riot. Schweiß und Spucke tropften von der Gewölbedecke, die Band war damals total am Brennen und stand am Ende auf der Bühne, total erschöpft und triefend von oben bis unten. Da die Bühne aber nur von vorne betreten werden konnte, liess das Publikum sie einfach nicht runter. Sie wurden blockiert und zurückgeschubst. Also spielten sie noch ein paar Songs aber das war uns noch nicht genug. Jack Oblivian fand dann heraus, dass er sich durch das kleine Fenster an der Wand hinter dem Drums durchzwängen und dadurch wohinauchimmer flüchten und die Show beenden konnte.
Hätte es die Gories und die Oblivians nicht gegeben, hätte es keine White Stripes gegeben, würde es keine Ghostwoman geben. Der kanadische Gitarrist und Sänger Evan John Uschenko, der 2020 alleine mit Ghostwoman anfing, hat auch den ganzen Blues-Trash zwischen Tradition und Underground gehört und verinnerlicht, das steht fest. Er bringt aber auch ein paar Elemente ein, die fast an New Wave erinnern. „Dark Wave“ meinte mein zufällig auf dem Konzert getroffener Freund Heinz etwas präziser. Denn dunkel, flirrend, fiebrig sind die Adjektive, die eine Assoziation mit dem beschreiben könnten, was die Musik von Ghostwoman transportiert.
Dabei sind sie nicht so rudimentär und minimal wie die genannten Wurzeln sondern haben sich durch allerlei mitlaufende Loops, getriggerte Bässe und andere Einspielungen aufmodernisiert. Es kommt aber alles sehr homogen und schert sich einen Scheiß um Konventionen. Manche Songs hören auf bevor sie richtig angefangen haben, manche haben ein gefälliges Pop-Gerüst, andere bestehen fast ausschließlich aus Gitarrenflimmern. Daher wird es auch keinen Moment langweilig. Bei aller Unkonventionalität wissen sie doch, wie man sich in Szene setzt. Das gilt natürlich musikalisch wie auch optisch im Besonderen für die Drummerin Ille van Dessel, die seit 2023 dabei und viel mehr ist, als nur eine Begleitung. Ihr herausragendes Spiel alleine schon bereichert Ghostwoman mehrdimensional. Mit berührender Einfühlsamkeit betont sie die Sensibilität der Stimmung, findet immer den richtigen Rhythmus und bedient sich dabei einer großen Variablität im Spiel, trotz der meist einfachen und langsamen Tempi. Das muss man so erstmal hinbekommen. Die meisten probieren das nicht mal.
Aber auch optisch macht sie natürlich viel her, mit ihren wild hochgesteckten Haaren, die durch die Luftbewegung der Nebelmaschinen um ihren Kopf schwirren. Dass sie auch gut singen kann, beweist sie ebenfalls und da ist natürlich auch Uschenkos wunderbare Stimme hervorzuheben, die er sehr effektvoll und unterschiedlich einsetzt, allerdings sehr feinfühlig, niemals prätentiös. Ich denke, da laufen sie auch keine Gefahr in was reinzugeraten. Dazu wirken sie einfach zu ruhig und solide, die beiden.
Ein wirklich lockeres, cooles, sensibles und atmosphärisch geladenes Duo. Hat sehr viel Freude gemacht.
Der ebenfalls kanadische Singer-Songwriter Calvin Love im Vorprogramm kam allerdings völlig ohne Begleitungmusiker sondern allein mit der Akkustik-Klampfe oder Musik vom Band. Ich fand es einschläfernd und langweilig, auch wenn der Typ eigentlich ganz cool zu sein scheint.