Pure Adult, Cassels – Berlin, Schokoladen (ca. 120 Leute, sold out)
Der Einstieg in die Welt des britischen Brüder-Duos Cassels lässt sich über deren eigene Zielgruppendefinition erleichtern: Music for Misanthropes and Malcontents. Hm, da kann man sich doch gleich mal gut mit identifizieren, auch wenn ich zugeben muss, dass ich meine derartige Veranlagung mehr inszeniere als wirklich lebe. Ich habe viel Spaß an meiner Neigung zu Mis und Mal und schon das alleine entblößt mich als Scharlatan der Negativität. Tatsächlich erfreue ich mich der Dinge (des Lebens? Nein, soweit gehen wir noch nicht, mein Freund) und die gelassene Betrachtung meiner eigenen Düsternis erhöht die Anzahl meiner Schritte zum Abgrund.
Daher frage ich mich, wie ein wahrer Misanthrop wohl die kalt-depressiven Attacken der Musik Cassels empfinden mag. Ich bin ja immer der Meinung, dass es hilft, sich mit seinen Dämonen auseinanderzusetzen anstatt sie zu ignorieren.
Alle die denken, ich bin jetzt doch etwas zu weit gegangen, sei nochmals vor Augen gehalten, dass dieses Forum nicht der Meinung ist, dass es bei Musik „nur“ um Musik geht … nein, hier geht es um Leben und Tod. Die Cassels, Schlagzeug und Gitarre, balancieren sich irgendwo dazwischen und könnten, wie viele neue Bands übrigens, in den 90er Jahren auf Touch & Go Records veröffentlicht haben. Ich finde sie sind recht ähnlich wie Slint, zumindest deren erster LP.
Ich konnte leider wegen Überfüllung keinen Blick auf die Band werfen. Ich hatte das Gefühl, die standen sehr weit hinten. Tja, Bands, die sich auf der Bühne verstecken?!? Auch ein Stilmittel.
Pure Adult aus Brooklyn haben sich nicht versteckt. Der Kern der Band ist’n mittelalter Typ, der aussieht wie ein cool-grantelnder schnauzbärtiger Österreicher und ein lockenköpfiges Mädchen, was einen interessanten Kontrast erzeugt, optisch wie auch musikalisch. Wild sind sie beide. Der Typ gestikuliert in an die Decke des Schokoladens, als wäre sie 30 Meter hoch und benimmt sich angenehm unberechenbar. Das ist auch die Musik, die für mich zwar zu wenig herausragende Songs zu bieten hat, als Gesamtpaket kann Pure Adult aber definitiv überzeugen und auch sie hätten perfekt auf AmRep oder T&G gepasst.
Der zusätzliche Einsatz von schrägen Synthies und modernen Elementen bereichert das Soundbild und ist auch so verarbeitet, dass es nicht nervt. Ich nenne jetzt mal eine Band, wo das für mich NICHT der Fall ist, zumindest was die Studioaufnahmen betrifft, und ich wünsche allen viel Spaß, die mir dafür eine Morddrohung senden möchten, aber sie sollen bitte aufpassen, dass sie sich dabei nicht einscheißen: Tropical Fuck Storm.

