Pisse, Oiro, Die Fremden Hände – Berlin, Festsaal Kreuzberg (1200 Zuschauer)
Huch, eine RICHTIGE Großveranstaltung ist das jetzt hier mit Pisse. Offensichtlich war mir da was entgangen, da die hier im großen Festsaal auch schon vor Jahren aufzuhausen wussten. Dazu war dies sogar das Zusatzkonzert, weil der Abend davor SO schnell ausverkauft war, dass man das am Abend danach gleich noch mal machen konnte.
Sagen wir mal so: Mir würde jetzt in den nächsten 10 Sekunden auch kein Laden in Berlin mehr einfallen, der „Pisse“ an seiner Anzeigetafel stehen haben möchte.
Ich war schon scharf drauf, die jetzt endlich mal zu sehen. Mir hat schon immer gefallen, wenn ne Punkband noch nen Synthie dabei hat. Pisse sind auch durch wirklich großartigen Humor aufgefallen, der genauso platt wie auch hintertürchen-mässig und sogar kunstvoll sein kann. Die Musikpresse wirft sich mittlerweile gegenseitiges Versagen dabei davor, die Band zu entschlüsseln, die sich auch nicht so leicht greifbar machen möchte. Dass deren echte Namen angeblich niemand kennt und die sich alle, ganz DDR-like, Ronny nennen, ist dabei nur eine Randnotiz. Meiner Meinung nach, muss man das jetzt auch nicht übermystifizieren. Das ist einfach nur ne ganz tolle und unterhaltsame Kapelle, die nicht ohne Grund auf sich aufmerksam gemacht hat.
Heuer war mir das im großen Saal zu Kreuzberg allerdings schon deutlich zu doll und zu voll. Vor der Bühne nur noch Kids. Eine typische Festsaal Veranstaltung mit dem typischen Publikum. Als ich während der fremden Hände nach draußen zum Rauchen ging, standen noch etwa 300 Leute im Vorsaal, die alle warteten, ihre schicken Pelzmäntel an der Garderobe abzugeben, um eine Minute später kurzärmlig bei -5 Grad draußen rumzuzitterten oder in einer 10m langen Schlange auf das erste Bier warteten, während man drinnen noch direkt drankam.
Das kann ja mal nur daran gelegen haben, dass sie die fremden Hände schon kannten. Das sind ein Mädchen und ein Junge. Meistens macht er an den Knöpfen seiner Synthies rum, was so unterm Strich nicht total schlecht ist, aber auch nicht besonders interessant. Es beginnt quasi direkt mit einem Technobeat und daher: Sorry, I’m OUT! Dazu fing das Mädchen dann in einer unerträglichen teenager-sturkopf-beleidigten Art platte Sprichwortverdrehungen rumzukreischen, dass die Punksirenen der 70er auf der Stelle erblasst und erschrocken davon gerannt wären. Die fremden Hände! Den Bandnamen find ich ja schon richtig geil. Aber der Rest trieb mich zu den Frierenden.
Mit den Mofapunks Oiro hatten wir ja schon zuletzt das Vergnügen. Da gibts jetzt nicht viel hinzuzufügen, ausser dass Kollege S. sich nach vorne ins Getümmel stürzte und ich plötzlich nur noch von kleinen Mädchen umgeben war, was mich schnell wieder in sichere Distanz zurückweichen ließ.
Der Sound war so mittel. Der Bass überdonnerte die Gitarre und da ich den Oiro-Gitarristen schon seit langer Zeit für einen der Besten seiner Zunft halte, fand ich das sehr schade.
Pisse schienen da etwas besser aufgestellt. Der Bass klang hervorragend. Aber halt … was war mit dem Schlagzeug? Das klang wie Omo-Trommeln. Keine Becken, kein Geschepper. Ich war erstmal verwirrt, aber als ich später die neue Platte hörte, wurde klar, dass das tatsächlich auch den geänderten Sound wiederspiegelt. Es brutzelt zwar noch unterm Gehölz, ist dennoch deutlich cleaner, Gesang mehr im Vordergrund, da Bass und Gitarre fast durchgehend synchron die Basis-Riffs legen, allerdings keine Kettensägen-Verzerrer-Wand, sondern eine untrennbare Einheit, ist das Keyboard als Melodienträger stark in den Vordergrund gerückt und insgesamt klingt das schon sehr fein, aber eben anders, Wave-Punk könnte man schon fast sagen.
Entertainer allerdings sind sie keine, Herrgottseidank. Als er am Ende dreimal die Gitarre wechselte, um dann wohl an der Verkabelung zu scheitern, taten sie mir fast leid. Er konnte damit irgendwie auch nicht umgehen. Es wurde fast still im Saal. Da hatte ich so das Gefühl, dass sie lieber im Squat geblieben wären … und ja, da hätte es vielleicht auch gescheppert. Schade, aber mein Gefühl ist mein Gefühl und wahrscheinlich nicht die Wahrheit. Für mich gilt: Gerne Pisse jederzeit wieder wo im Keller. Aber das wird wohl nie wieder passieren. Auch das tut mir leid. Ein Abend des Leidtuns.

