Tropical Fuck Storm, Maria Iskariot – Berlin, Gretchen (total überfüllt, ich schätze mindestens 700 Leute)
Also entweder haben sie zuletzt eine ausgezeichnete Presse bekommen oder ihnen hat tatsächlich der kürzliche Support-Auftritt bei Bikini Kill zu plötzlichem Ruhm verholfen.
Erstens war es sowas von überknallevoll und zweitens gingen die Leute vorne während der Pause nicht weg, so dass die übliche Taktik, sich zu versorgen und in gewünschter Position zu platzieren, während die anderen kurz Pipimachen und Bierholen sind, nicht funktionierte. Sowas hab ich ja noch nie erlebt. Die blieben einfach da, wie Backsteine.
Die ungünstige Lage, weit von der Bühne weg, konnte nur durch Eindringen über den Seiteneingang verbessert werden. So kamen wir vielleicht nicht in den besten Soundgenuss aber wir konnten immerhin die Liveatmosphäre spüren und davon hat Tropical Fuck Storm aus Melbourne eine Menge zu bieten. Wir konnten wenigstens die Hupfdohle (die ich mittlerweile extrem cool finde) und Gareth sehen. Und sie sehen halt einfach super aus und geben auf der Bühne ein tolles Bild ab. Damit meine ich übrigens ganz und gar nicht nur die Mädels. Ich schaue Gareth extrem gerne zu, schon bei den Drones (und wer sich für die Historie der Band interessiert, darf diesen Bandnamen gerne mal im Suchfenster dieses Magazins eintippen).
Interessant, dass sie ja weiter wirklich konsequent unkommerziell sind, was das Songwriting betrifft. Die schrägen und filigranen Gitarrenlicks von Gareth und Erica laufen schön in- und gegeneinander, Bass und Schlagzeug leicht variabel aber insgesamt druckvoll gediegen. Bei allem Wahnsinn, den sie so transportieren, auch inhaltlich, wo wir zwischen den Monden Dystopie, Düsternis, Obskuritätenkabinett und Nihilismus hinundher fliegen, ist es doch manchmal eeeeeetwas zäh, vorallem wenn man keinen guten Blick auf die Band hat. Bisschen mehr Unterschied im Tempo und im Erzählrhythmus würden mir zusagen. Diese 8 Strophen-Songs ohne Refrain, puh. Unter 7 Minuten geht ja kaum ein Song über die Bühne. Und dann kommt eben der nächste 8-Strophen-ohne-Refrain-Song und immer wenn du denkst, jetzt geht’s gleich richtig los, dann nehmen sie den Zahn eher wieder raus. Das ist die Gesamtheit dessen, was mich an TFS stört. Achja, plus die albernen Videos, die ich höchstens als bitteren sarkastischen Humor verstehen kann. Wenn’s das nicht ist, dann entzieht sich mir der Sinn. Diese bescheuerten Videos haben mich sogar jahrelang davon abgehalten, die Band überhaupt mal anzusehen. Live müssen sie sich auf das beschränken, was die Besetzung hergibt und das tut ihnen, meiner Meinung nach, sehr gut. Im Studio sind sie viel verspielter, setzen modernen Scheissdreck ein, den sie gar nicht bräuchten.
Dass sie jetzt endlich (die Beharrlichkeit zahlt sich aus) auch so durchstarten, ist wegen der musikalischen Sperrigkeit ungewöhnlich, aber toll und der beste Beweis dafür, dass man keine Ballermann-Hymnen schreiben muss, um erfolgreich zu sein. Die Fans flippten jedenfalls fast so aus wie bei den Beatles. Die haben geschrien und jeden Song mitgesungen, was bei hundert Zeilen pro Song gar nicht schlecht ist. Also, für mich persönlich befremdlich und beängstigend, so diese Hysterie … in Zeiten, wo du eigentlich keinem mehr über den Weg trauen kannst … naja, bei so ner genderdurchgemischten Band können die Fans ja eigentlich gar nicht vom Planeten Vaterland kommen … aber wer weiß das schon (mißtrauisch umschau …).
Davor spielten die belgischen Maria Iskariot, die mir zu aufgeregt und zu langweilig waren. Das ist irgendeine Kombination aus verschiedenen Alternative-Rock-Stilen. Grunge, Punk, Pop. Viel jugendliches hochambitioniertes Rumgehüpfe, ne Menge wütender Schreigesang mit lachenden, spaßhabenden Gesichtern und nem Holzhacker-Drummer, wie sie heutzutage viel zu häufig anzutreffen sind. Ist schon ok, kein Fehler im System erkennbar, aber an sich auch nicht sehr interessant. Die haben die Qualität noch nicht, um schon so große Events zu spielen. Da fehlt total das persönliche Profil. Irgendwer hat die etwas zu früh gesponsort. Gegönnt sei es ihnen, aber da gibt es Tausende von Bands, die besser sind und ihr Leben lang auf den Ochsen touren.