Kim Gordon, Gudrun Gut – Berlin, Festsaal Kreuzberg (maßlos überfüllt, wirklich eine Zumutung)
Also, ums kurz zu machen: Es hat mir nicht gefallen. So sehr ich Sonic Youth liebe und deren Einfluß auf die moderne Musik schätze … so sehr ich Kims Stimme liebe … so schrecklich ist es, diesen Sprechgesang anderthalbstundenlang immer wieder und nichts anderes zu hören. Es ist eine Qual. Meine beiden Begleiter waren restlos begeistert, ich fand es grauenvoll und, ehrlich gesagt, hatte ich es auch so erwartet, schon nach der ebenso qualvollen Body/Head-LP.
Jetzt hat die Grand Dame des Indie-Rocks umgerüstet, sich geballte Jungblut-Women-Power in den Rücken genommen und die machen ihre Sache richtig gut. Ganz hohe Sound-Qualität. Ganz tolle Musikerinnen. Aber weder die depressiv drögen Riffs mit hoch-verfeinert abgestimmten Electronicas, noch am ehesten vielleicht die fein eingetreuten Geräusch-Brocken, aber schon gar nicht das erbärmliche immergleiche Auf-einem-Ton-Gespreche von Kim Gordon, das bei Sonic Youth noch so wunderbar einplatziert war, haben auf die lange Strecke irgendeinen Appeal für mich. Mir fehlt in dieser Musik die menschliche Emotion. Irgendwas entfernt vom Abstrakten, etwas das mich ergreift und mitfühlen lässt. Das hier ist kalte Eleganz, Designermusik, die nicht in einem Proberaum aus den Herzen geschrieben wurde und immer wieder ausprobiert und verändert, verworfen, verschlechtert, wieder verbessert wurde und so aus einem lebendigen Prozess heraus entstand, sondern zusammen mit Produzenten im Studio entwickelt wurde. Genauso klingt es auch. Kalt, leblos, maschinenartig, und dazu Kims Sprechen. Mir wird, ehrlich gesagt, sehr sehr unwohl davon, fast magenumdrehend.
Das Witzige ist, dass sie ja wenigstens ein wenig Gitarre und Bass spielen kann. Das aber eigentlich gar nicht mehr tut, sondern dazu andere Leute eingestellt hat und das was sie gar nicht kann, das ist das ausschließliche, das sie macht … zumindest auf der Bühne. Sie kann sogar nicht mal ihre scheiß Texte auswendig und versteckt sich hinter einem riesigen undurchsichtigen Notenständer. Das ist auch etwas, was ich üüüüberhaupt nicht sehen kann und absolut nicht verstehe, bei ner Sängerin, die ihren eigenen Texte über Monate geschrieben, im Studio ausprobiert und eingesungen hat und nun auch schon seit vielen Wochen auf Tour ist.
Und so hab ich auch heute, im genauso zum Erbrechen vollgestopften Festsaal Kreuzberg, die längste Zeit von draußen zugehört. Mehrmals wieder reingekommen, aber schon vorm Kucken am liebsten wieder umgedreht. Tausend verbotenerweise in den Saal und auf die Treppen und auf die Balustrade gequetschte Seelen werden mir wiedersprechen. Ihr hättet mal die Schlange sehen sollen. Sowas hab ich schon lange nicht mehr gesehen. Ca. 15 Min. vor offiziellem Konzertbeginn war die locker über 50 Meter lang. Was zur Hölle macht Kim Gordon so interessant? Bei Thurston Moore vor 2 oder 3 Jahren oder so, waren nur halb soviele Leute da. Häh?
Erst kurz vor Beginn erfuhren wir, dass Gudrun Gut den Support macht, ohne, dass ich jetzt erwartet hätte, dass es mich vom Hocker reissen wird, freute ich mich dennoch. Diese Musikgeschichts-Ikone hatte ich noch nie live gesehen und fand es sehr entgegenkommend da nen Haken dran machen zu können, ohne noch mal auf ein extra Konzert rennen zu müssen.
Die gute Frau stand natürlich, wie zu erwarten war, alleine an einem Tisch und mischte sich ihre vorproduzierte Musik zurecht, um gelegentlich Sprachfetzen einzuwerfen. Da war noch viel vom alten minimalistischen, kantigen, widerborstigen Musikerlebnis aus der Zeit der frühen 80er vorhanden. Vermutlich die interessanteste Vertreterin der Am-Tischsteher, die ich bislang gesehen habe. Dennoch hielt ich es nur etwa 20 Minuten durch. Als Live-Programm ist sowas für mich unansehbar.