The Liquorice Experiment, The Jack Cades, The No-Counts – Berlin, Wild At Heart (ca. 120 Zuschauer)
Einer meiner geliebten Garage-Punk-Abende, die aktuell quasi alleine von Birgit „Suzy Creemcheese“ aka dem Pleasure Seekers Club veranstaltet werden. Veranstalter und Szene sind in Berlin momentan eher klein. Leider spielt der 60s-Punk aber weltweit nur eine kleinere Rolle im Musik-Kosmos und daher gibt es auch nur eine überschaubare Anzahl an Bands und nicht alle sind dauernd auf Tour.
Berlin beschränkt sich momentan hier völlig auf die No-Counts. Keine andere Band hat die Sperrjahre überlebt. Wir können nur hoffen, dass demnächst wieder ein paar aus den Proberäumen steigen. Irgendwas richtig Wildes fände ich mal wieder schön.
Die No-Counts mit wirklich sauberem Sound, sehr trocken. Man konnte wirklich alles sehr gut raushören …. fast schon ZU gut. Wie schon zuletzt gesagt, haben sie zuletzt ein paar wirklich gute Songideen und bekommen das auch sehr gut auf das Set verteilt, damit es nicht langweilig wird.
Das ist bei den Jack Cades schon eher problematisch. Die Band aus der Nähe Birminghams würfelt ihr Set vor dem Gig wahrscheinlich aus. Letztlich funktionieren fast alle Songs nach demselben Schema und die Dramaturgie ist nicht so ihr Ding, weder innerhalb der Songs noch übergreifend. Dafür haben sie aber eine ordentliche Anzahl recht unterhaltsamer Songs geschrieben, so dass ich sie mir zum ersten Mal von Anfang bis Ende angesehen habe. Ehrlich gesagt, hatte ich mir das von denen eigentlich schon von Beginn an erwartet. Neben dem allgegenwärtigen Drummer Mole Lambert, der die aktuelle Szene mit Erscheinung und Musikalität voransteht, besteht die Front aus dem Gitarristen-, Singer- und Songwriter-Pärchen Mike und Elsa Whittaker. Würde es eine Garage-Promi-Gazette geben, wären sie dort sicher jeden Tag auf Seite 1. Ich weiss auch nicht, wie weit ich da jetzt ausholen soll. Mike’s Geschichte begann mit den sensationellen Thee Vicars, die den Teen-Punk auch als solche gelebt haben. Rund 15 Jahre ist es her, dass die mit ihrer wilden jugendlichen Energie und einer klaren Absage an den allgegenwärtigen Mainstream-Pop (früher Indie-Pop genannt) die Punk-Szene von hinten überrannten und auch den ganzen Punk-Rock-goes-Stadion-Langweilern in die platten Ärsche traten. Die Vicars wurden sofort berüchtigt für ihre ausgelassenen Shows und durften gleichmal überall touren wo sie Bock drauf hatten. Mike Whittaker war der Hauptsongwriter. Als der große Kumpan Chris Langeland im Alter von …. so, kurze Recherche nötig … 22 Jahren starb, war es nach 3 Alben und zwei Händevoll Singles vorbei. Mike machte aber natürlich mit anderen Bands weiter und so sind sie, 12 Jahre nach dem Ende der Vicars mit den Jack Cades mittlerweile auch schon beim dritten Album angelangt.
„Something New“ zeigt die Band auf einem sehr guten Weg. Den Beginn fand ich eher enttäuschend. Wir kennen Elsa von den Missing Souls und wissen daher, wie gut sie singen kann. Das Duett mit ihrem Jetzt-Ehemann Mike, der als maßgeblicher Songwriter auch andere Band geprägt hat, weckte große Erwartungen, die sie erstmal nicht erfüllen konnten. Von der Explosivität der Vicars, aber auch der anderen Bands Mike Whittakers waren sie weit entfernt. Aber auch das Songwriting lässt erst jetzt auf dem dritten Album aufhorchen. Endlich haben sie ein paar wirklich gute Songs, die ihre Fähigkeiten nutzen, die ich tatsächlich auch in guten, griffigen Gesangmelodien erwartet hätte. Da auch Drummer Lambert gut singen kann, ist die Basis für allerlei Abwechslungsreichtum vorhanden, doch es braucht auch gute Songs und jetzt sind sie da. Ja, Tempo und Songschemas sind noch seeeeeeeeeehr seeehr gleichbleibend, aber Melodien und Riffing gleichen das jetzt aus. Wenigstens die Melodien haben einen Weg aus dem sich immer wiederholenden Konstrukt gefunden und das ist eine große Bereicherung in einem Genre, das sich sehr schwer tut, nach links oder rechts zu blicken.
Das ist auch das Problem bei der letzten Band des Abend, dem Liquorice Experiment, einer recht neuen Band aus London, die aber vorwiegend (ausschließlich?) aus Spaniern besteht. Sie orientieren sich am üblichen Rhythm’n’Blues-Schema, ordnen sich selbst aber der „moody“-Schublade zu, was man vielleicht stehen lassen kann, auch wenn man das hierzulande fast schon herablassend betrachten könnte, denn wenn jemand gut ist, im moody sein, dann wir Deutschen und zur Beweisführung haben wir hier die ein paar Aushängeschilder, die zu übertreffen völlig unmöglich ist, auch wenn es natürlich überhaupt nicht darum geht, dass die einen die anderen übertreffen, denn wir freuen uns über jede Band und über jeden Menschen, der ein Instrument in die Hand nimmt und seine eigenen Weisen trällert.
Das tut das Liquorice Experiment und sie haben, im Gegensatz zu den Jack Cades auch auf die Dynamik geachtet, aber das sind wirklich ganz gute Musiker. Besser als die Jack Cades gewiß und sie möchten das auch zeigen. Da bin ich dann aber schon wieder am Abwinken. Ich meine, ein Mole Lambert ist auch ein absoluter Ausnahmemusiker, aber er ist Punk durch und durch. Seine Art zu spielen, weist den Weg und es ist der wilde Weg. Nicht so dieses Mucker-Ding. Und das ist der Hauptunterschied zwischen den Jack Cades und dem L-Experiment. Die Wurzeln der Jack Cades liegen im Punk. Ein Mole Lambert ist definitiv auf die Welt gekommen, um Unfug zu treiben und das wird er noch ne Weile machen. Bei den Liquorice Experiment bin ich mir da nicht so sicher. Dennoch eine symphatische Gang, mir aber zu wenig Punk in jeder Hinsicht.

