Lee Ranaldo & The Dust, Bismuth – Mi. 13.11.2013 – Köln, Gebäude 9

2013 Live

Lee Ranaldo & The Dust, Bismuth (Foto) – Köln, Gebäude 9 (200 Zuschauer)
Bismuth aus den Niederlanden hatten VOR der Bühne aufgebaut und fragt mich nicht, WAS sie da aufgebaut hatten. Grösstenteils selbstgebaute Instrumente und experimentelle Geräuschmaschinen. Damit machten sie unerhört abwechslungsreichen Instrumentalsound, der trotz leicht angestrengt wirkendem Einsatzdrucks so vieler Geräte wie nur möglich, immer eine cool klingende Basis hatte, die rhythmisch war und den dunklen NoWave-Weisen der New Yorker Avandgarde der frühen Achtziger nahe kam. Es sah ein bisschen aus wie ein Glenn Branca Workshop, ausser, dass wirklich ausschliesslich selbstgebaute, zumindest -modifizierte Instrumente zum Einsatz kamen.
Arnold vd Velde und vorallem der Tausendsassa Yuri Landman sind daher auch keine Unbekannten auf dem Zettel eines Lee Ranaldo, was die beiden auch zu einem höchst wertvollen und interessanten Support-Act machte. Ich war jedenfalls RESTLOS begeistert und beeindruckt.
Sonic Youth habe ich das erstemal 1987 gesehen. Ah, könnte auch 88 gewesen sein. Meine erste LP hatte ich beim Erscheinen gekauft und seitdem ist sie auch noch meine Liebste: Sister. Ich glaube, da war ich dann auch in der Theaterfabrik in München am Konzert, das mich völlig ausknockte. Da mir Daydream Nation nicht besonders gefiel und ich sie mehrmals die Jahre danach in viel unschöneren Hallen zu sehen bekam, fing mein Interesse an zu erlahmen, ohne die Hochachtung vor der Band zu verlieren. Dann kam der grosse Indie-Hype, Sonic Youth wurden ein Begriff, den jeder schon mal gehört hatte, ich war draussen.
Ich hatte mir damals dann eben alle Platten VOR Sister besorgt und da hielt ich mich dran fest. Heute kaufe ich allerdings wieder alles nach, was dann auch auf ihrem eigenen Label herauskam. Eigentlich sind Sonic Youth immer gut gewesen. Ich würde nicht sagen, dass man wirklich alles braucht, was sie in ihrer langen Karriere herausgebracht haben, aber es ist auch kein Fehler. Man kann eigentlich kaum wirklich danebengreifen, denn irgendwie sind sie auch immer sehr gleich gewesen. Daher fand ich auch ihre Auflösung kein aberwitziges Drama, denn, auch wenn es nicht offiziell ist, mal ganz ehrlich … Sonic Youth sind Geschichte. Ich würde es nicht sinnig finden, wenn die sich in ein paar Jahren wieder zusammentun würden. Die haben doch alles gesagt, was sie zu sagen haben.
So ist es jetzt auch viel spannender, ihre Solo-Projekte zu verfolgen. Chelsea Light Moving um Thurston Moore ist mein Favorit. Nach meiner Einschätzung völlig unverständlicherweise vergleichsweise unerfolgreich.
Body/Head, das kreischende Wüten einer öffentlich verletzten Frau (spekulativ, ungerecht und überzogen, ich weiss, aber sie wird mich kaum deswegen vor Gericht zerren) ist meine Nummer zwei. Ich finde das Album ausgezeichnet, auch wenn Kim Gordon mich immer tierisch mit ihrem emanzipatorischen PC-Gejaule genervt hat. Wenn sie flüstert ist sie grossartig, wenn sie hysterisch wird, springe ich durch’s geschlossene Fenster aus dem zwölften Stock.
Lee Ranaldo, mein geheimer SY-Liebling, hinkt für mich hinterher, zeitigt aber offensichtlich derzeit den grössten Erfolg. Seine zweite Solo-LP ist draussen und dazu durfte ich ihn dann nach vielen Jahren auch wieder auf der Bühne sehen. Im Gegensatz zu den anderen Solo-Projekten, hab ich seine Platten nicht gekauft. Haben mich nicht so gepackt, stecken aber durchaus voller bescheidener Kunstwerke, die sich also solche aber erst nach mehrfachem Durchlauf so erschliessen und dazu fehlt mir die Altersgeduld.
Das Konzert allerdings war grossartig … hm, ja, unterm Strich, ja. Steve Shelley, als Schlagzeuger von SY vielleicht nicht so sehr in der Lage, seine eigenen Ideen aufzubauen, glänzt aber durch ambitionierte Kollaborationen, bspw. mit Michael Rother (“Neu” war ja immer schon Gegenstand intensivster Betrachtung für Sonic Youth gewesen) und spielt auch bei Lee Schlagzeug und zwar mit unnachlassender Qualität und Innigkeit. Den nie getrübten Indie-Spirit einer Band, die diesen Begriff schon besetzte als er noch nicht verwässert und verhökert wurde, bewies er schon eingangs, als er die Tshirts vor dem Konzert eigenhändig verkaufte. Das ist die wahre Würde eines Rockstars und die ist auch Lee Ranaldo eigen.
Lee selbst sieht immer noch so aus wie früher mit seiner immergleichen Frisur, auch wenn die Haare jetzt grau sind. Er ist ein bisschen dicker geworden, klar, aber die runden dunklen Augen strahlen die gleich Sanftmut aus wie früher. Völlig bescheiden und dankbar beginnt er sein Set, fragt ob sie zu laut wären, aber alle schreien natürlich nein, nicht zugeben wollend, dass man ja auch nicht mehr der Jüngste ist, als SY-Fan der welcher-Generation-auch-immer. Schliesslich ist man ja auch des kreativen Krachs wegen dazu geworden und hat seinen Tinnitus über die Jahre stolz gehegt und gepflegt.
Die ersten drei Songs sind der Hammer. Ich erstarre fast. Der Gesang klingt viel besser als auf Platte, auch wenn er ein wenig an den Singsang eines Michael Stipe erinnert, der bei mir seit Loosing My Religion, warum auch immer, in Ungnade gefallen ist. Dieses Genöle mag ich jedenfalls nicht so gerne hören und daher wird mir dann in der mittleren Phase des Konzerts tatsächlich doch leicht langweilig und ich sehe mich bestätigt, die Platten nicht gekauft zu haben.
Der Sound aber ist total grossartig, laut aber fein, vielleicht bis auf die etwas zu präsente Basstrommel. Die Gitarren, natürlich vorallem Lee’s klingen phantastisch. Er wechselt dauernd durch, immer andere Stimmungen, gelegentlich auch auf Nicht-Jazzmaster-oder-Jaguar, sogar auf Nicht-Fender, uuh! Sein Roadie nervt ein wenig, da er sehr unruhig und sichtbar ist, dafür hat er auch einmal ne Gitarre nicht gescheit gestimmt, so dass Lee den Song abbricht, denn man will ja Qualität bieten. Böse wird er dem Jungen trotzdem nicht gewesen sein. Das wäre nicht seine Art.
Ja, und dann, gegen Ende wird’s doch noch furios. Die letzten beiden Songs und die Zugabe geraten zu Youth-ähnlichen Zuerst-der-Song-und-dann-machen-wir-ihn-kaputt-Publikumszugeständnissen. Aber klar, haben wir’s geliebt und klar, wollten wir das sehen. Er wirbelt, macht Ausfallschritte, ganz im Gegensatz zu seinem versteinerten Gitarrenkollegen und dann fatzt auch mal ne Saite und man drischt mit dem Geigenbogen auf das Brett ein. Nicht mehr mit dem Schraubenzieher wie in den 80ern, aber immerhin.
Ich fands sehr schön. Lee gehört eindeutig zur ersten Generation Independent und hat diesen Geist nie verloren. Das merkt man an der Unprätentiösität, die er niemals verlieren wird, darüber können wir uns sicher sein und wie schön ist es, das eine oder andere Schiff im sicheren Hafen zu wissen, ob der unruhigen Welt da draussen.

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