Il Sogno Del Marinaio, Dean Roberts – Berlin, Monarch (ca. 200 Zuschauer)
Dean Roberts, ein netter Mensch aus Neuseeland. Wäre er nicht so nett und sympathisch, hätte ich ihn an diesem Abend durch die Scheiben des Monarchen auf die anderthalb Stockwerke tiefer befindliche Skalitzer werfen müssen, wo er so gerne raussah und in den Pausen zwischen den unfassbar langweiligen leeren Liedern Kommentare abgab, innehielt, dann das Bier suchte und weiter rausschauend einen Schluck nahm … noch einen … sich dann langsam wieder uns zuwandte, die eingequetschte Hundertschaft an Sardinen, und sich an uns vorbeiwandte, um etwas in seinem Notenbuch zu blättern, lächelte, ein paar unhörbare Worte neben das Mikro sprach und dann … (das Mahlen meiner Zähne MUSS noch in der letzten Reihe hörbar gewesen sein), das nächste seiner 4 oder 5 Lieder anstimmte, denn mehr schaffte er nicht, in der verbleibenden Zeit … mehr wollte er auch nicht … und mehr hätte er auch nicht gedurft, sonst hätte er gemerkt, dass es im Publikum Menschen gibt, die nicht so nett und sympathisch sind wie er.
Experimentell zu sein, kann manchmal auch die einfache Umschreibung für Nichts sein. Nach dem ersten Song dachte ich noch, dass das was für suizidgefährdete Teenage-Girls sein könnte, nach dem zweiten, dass es nicht mal dafür reichen würde und ich sogar Jandek interessanter finde. Ihr kennt Jandek, oder? Und das durchunddurch Grauenvolle an diesem Vergleich ist: Dean Roberts ist bei bester Gesundheit. Ich wünsche ihm, dies noch lange zu sein.
Während Mike Watt und Gesellen die Bühne betraten, holten mein Begleiter Magnus und ich uns noch ein Bier und waren dann an der Bar festgenagelt. Es war so voll, dass man nicht mehr wegkam. Ich kann dazu nur sagen, dass ich mich sofort enorm entspannte. Ich war einer der wenigen, der während des Konzertes Getränke bestellen konnte. Ein Traum. Selbstverständlich nahm ich das unerwartete Angebot reichlich an und erfreute mich ansteigender Laune, die es mir zuliess, weitere Experimente zu ertragen.
Jenes war natürlich auch vom guten alten Mike zu erwarten, der schon mit seiner ersten Kapelle Minutemen, an der Seite des 1985 verstorbenen D. Boon, ganz wunderliche und oft kopierte aber nie erreichte Facetten in die Punkmusik brachte. Wer sich kurz ins Gedächtnis zurückrufen möchte, wie das mit den Minutemen, Boon und Watt noch mal war, kann sich mit diesem Rolling Stone Artikel die Essenz auf einem Blatt extrahieren lassen.
Und da Magnus noch direkt davor über das unsägliche (nein, sein Ausdruck war irgendwie derber, aber wir sind ja ein anständiges Magazin hier) Dead Kennedys Konzert berichtet hatte, so lustlos gespielt, dass man wirklich nur Geld als den Grund der Tour vermuten mochte, so konträr erweist sich Mike Watt in seinem Tun über seine ganze Karriere. Nach dem frühen Tod Boons waren die Minutemen Vergangenheit und nichts hat Mike seitdem gemacht, das an die damalige Bekanntheit und Sensation im Schaffen heranreicht. Dennoch wirft er uns unablässig Musik um die Ohren, die völlig der Kunst ergeben ist, ohne andere Ansprüche, dies aber radikal fordernd.
Klar, diese verwegene Musikmischung aus Punk, Funk und Jazz muss man erst mal mögen (und da stehe ich nunmal auch eher in den hinteren Reihen), sein Einfluss auf sogar sehr berühmt gewordene Bands wurde von diesen aber stets betont (bspw. ist ihm das Album Blood, Sugar, Sex, Magic gewidmet).
Auch wenn ich es nicht leiden kann, als Sardine in einem Konzertsaal zu stehen, war es für mich ein Glück, mit anzusehen, wie Mike Watt an einem Montagabend, irgendwo im europäischen Nirgendwo, einen Konzertsaal mit 200 Leuten zu füllen vermag. Die Legende lebt und ich hoffe sie lebt noch lang.
Ich brauchte, etwa drei vier Songs, um die Musik aushalten zu können, hatte aber auch das Gefühl, dass es im Verlauf des Konzerts gefälliger für meine Ohren wurde. Es war viel Gefrickel, aber viel Schelm darin. Der Punk sprüht dem Watt (und seinen Mitstreitern auch) aus allen Poren, auch wenn das hier schon viel mehr die Verweigerungs- denn eine musikalische Haltung ist. Aber ziemlich oft ist da schon ganz schöner Unfug, den die da machen. Und sie machen es mit zwinkernden Augen. Am Ende war ich dann doch sogar ziemlich angetan. Vielleicht werde ich mir doch noch mal ne Minutemen Platte kaufen, die ich bislang immer schmählich stehen liess, nicht ohne sie jede Nacht ins Gebet einzuschliessen.
Mike Watt is one of the good guys.